Wächter des Mythos (German Edition)
Nebelwald.«
»Wie hoch ist denn dieser Berg?«
»Der Doi Inthanon ist mit 2.565 Metern der höchste Berg in Thailand. Das Gebiet wird heute von Angehörigen der Bergstämme der Hmong und Karen bewohnt, die hier anfänglich Opium anbauten. Durch mehrere, vom König gesponserte Projekte wurde dann der Bevölkerung beigebracht, wie man statt Opium Gemüse und Blumen anpflanzt.«
»Und, haben sie sich das gefallen lassen?«, fragte Gabriel erstaunt.
»Nun, ich denke, es blieb ihnen wohl nichts anderes übrig. Ab 1966 wurde das Gebiet zum Nationalpark erklärt, sicher auch, um eine gewisse Kontrolle auszuüben. Der Leiter der Gründungskommission Mr. Nyrung Saikon starb jedenfalls 1967 bei einem Flugzeug- oder Helikopterabsturz unweit des Gipfels. Die Überreste dieser Flugmaschine liegen noch heute dort und können auch besichtigt werden. Einheimische erzählen, der Treibstoff-Tank sei leck gewesen. Als sich Mr. Nyrung Saikon eine Zigarette anzünden wollte, sei er samt der Flugmaschine explodiert und abgestürzt. Daher legen sie noch heute eine brennende Zigarette bei den Trümmern nieder.«
»Eine kuriose Geschichte, vor allem die Vorstellung, sich bei Flugwind und Benzingestank eine Zigarette anzünden zu wollen.«
»Hier ist alles etwas kurios, vor allem aber lässt man sich nur ungern beaufsichtigen. Für die Regierung war es nicht einfach, den illegalen Handel mit Holz und Drogen in den Griff zu bekommen. Während der Trockenzeit brennen die Wälder hier in Mae Chaem manchmal kilometerweise. Doch oft auch nur deshalb, um in der Regenzeit mehr Pilze ernten zu können. Für die einheimische Bevölkerung ist die Natur nutzlos, solange sie von ihr nicht profitieren kann. Da in ihrem Lebensraum mehr als genug Wald vorhanden ist, gibt es für sie auch keinen Grund, diesen zu schützen.
Dass Reisende bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts wochenlang auf Elefantenpfaden den Dschungel durchqueren mussten, um endlich ihr Ziel, die Stadt Chiang Mai, zu erreichten, ist heute selbst für uns unvorstellbar. Aber seither hat Thailand den größten Teil seines Waldes verloren.«
Sie ließen mehrere beeindruckende Wasserfälle hinter sich und hielten danach an einem Markt, auf dem die einheimischen Bergstämme ihre Erzeugnisse anboten. Dann folgten sie der Straße bis zum zweiten Checkpoint, wo eine deutlich niedrigere Temperatur herrsche als zuvor in Chom-Thong. Hier gab Alina wie als Losungswort ihr Ziel bekannt, woraufhin sie ungehindert passieren konnten.
Besucher, die ganz hinauf zum Gipfel fuhren, mussten spätesten hier an dieser Kontrollstation Tickets kaufen. Sie bogen jedoch links ab und fuhren die steile und sehr kurvenreiche Straße hinunter nach Mae Chaem. Unterwegs hatte Gabriel gelegentlich eine faszinierende Aussicht auf die Landschaft und den Gipfel mit den zwei Pagoden.
Kurz nachdem sie Mae Chaem erreicht hatten, setzten sie Ding bei seinen Eltern ab und fuhren anschließend zu dem Haus, das Alina von ihrer Mutter geerbt hatte. Schon bald bogen sie in eine Nebenstraße ein, der sie bis vors Tor der Zufahrtsstraße zum Haus folgten. Das Anwesen lag bereits im Dämmerlicht, dennoch konnte Gabriel erkennen, das es sich hier um ein zweigeschossiges Haus handelte, das auf einer kleinen Terrasse am Hang gebaut worden war.
Trotz der unspektakulären Bauform ließ es viel originellen Charme erkennen. Das Gelände um das Haus herum war mehr oder weniger terrassiert, sodass man über Treppen und Wege von der schattigen Ruheterrasse bis hin zur Aussichtsterrasse gelangen konnte. Sie hatten kaum das Haus betreten, als sich Alina schon an die Zubereitung eines Abendessens machte. Dazu verwendete sie das Gemüse, das sie eben auf dem Markt gekauft hatten. Gabriel hatte immer noch mit der Zeitverschiebung zu kämpfen, saß etwas benommen am Küchentisch und sah Alina bei den Vorbereitungen zu.
»Gibt es im Haus einen Telefonanschluss und einen Computer?«
»Ja sicher! Mein MacBook liegt noch im Haus. Warum?«
»Ich denke, einen Tag werden wir noch brauchen, um uns etwas Ruhe zu gönnen. Doch sollten wir gleich nach dem Essen schon mal zwei Plätze für unseren Flug reservieren. Was denkst du, wo sollen wir mit unserer Suche beginnen?«
»In seinem letzten Brief äußerte mein Vater den Wunsch, dass ich mich nach Spanien auf den Jakobsweg, den Camino de Santiago, begeben soll.«
»Dann ist es von hier aus das Beste, wir buchen einen Direktflug nach Madrid. Dort habe ich ein Appartement, von wo aus wir unser
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