Wächter des Mythos (German Edition)
Vater hat sicherlich zahllose Versuche unternommen, die Zeichen zu decodieren. Wie er es dann herausgefunden hat, weiß ich nicht.«
»Na ja«, meinte Gabriel schmunzelnd, »vielleicht handelt es sich hier um eine Botschaft von den Göttern aus dem All. Eben das Übliche, wie bei Moses, den Steintafeln mit den zehn Geboten und so.«
»Du meinst, Erich von Däniken hätte den Kelch sofort für seine Theorien vereinnahmt«, sagte Alina lachend und strahlte ihn an. »Also …?«
Er hatte ihre Frage erwartet. »Also was ?«
»Also, du hast jetzt gefunden, wonach du gesucht hast. Hilfst du mir auch, den Schlüssel zum Dechiffrieren der Zeichen zu finden?«
Gabriel fuhr mit den Fingern sanft über den Kelch. Deutlich spürte er unter den Fingerkuppen die Konturen der Zeichen, die tief in das Silber eingraviert waren. Dabei hatte er das Gefühl, dass diese Zeichen ein wahres Geheimnis darstellten – dass sie einen Teil des Rätsels offenbarten, dessen Lösung noch unsichtbar in ihnen verborgen lag. Er betrachtete erneut fasziniert den Kelch, um den sich die geheimnisvollen Zeichen wie ein schmückender Kranz wanden.
»Trinken wir auf unseren ersten großen Erfolg noch ein Glas Wein?«, fragte er Alina dann etwas entrückt.
»Wenn noch weitere gemeinsame Erfolge auf uns warten, dann gerne«, antwortete ihm Alina glücklich.
Als sie mit dem Essen fertig waren, klingelte laut das Telefon. Alina sah den schwarzen Apparat einen Moment lang erstaunt an, bevor sie das Gespräch entschlossen entgegennahm. Der Mann am anderen Ende der Leitung hatte einen starken italienischen Akzent und stellte sich als Monsignore Sandino de Vegio aus Rom vor. Er behauptete, im Auftrag des Papstes zu arbeiten und dass er sie deshalb dringend treffen müsse. Er sei soeben von Bangkok über Paris auf dem Flughafen in Nîmes, im Süden von Frankreich, gelandet und mache sich jetzt auf den Weg zum Haus ihres verstorbenen Vaters, um sie zu treffen.
Alina warf Gabriel einen verstörten Blick zu. »Tut mir leid«, gab sie dem Mann verwirrt zur Antwort, »doch bei welcher Gelegenheit haben Sie denn die Adresse vom Haus meines Vaters hier in Frankreich erhalten?«
»Das erkläre ich dann, sobald ich bei Ihnen bin. Ich hoffe, Sie werden so freundlich sein, mich zu empfangen …« Er legte unvermittelt auf.
»Was soll denn dieser Schwachsinn?« rief sie erbost und knallte den Hörer auf die Gabel.
»Wer war das?«, fragte Gabriel ungeduldig.
»Ein Typ, der sich als Söldner des Papstes ausgibt und der demnächst hier aufkreuzen will. Er kennt unsere Adresse und will dringend mit mir sprechen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie er zu dieser Adresse hier in Frankreich kommt und woher er weiß, dass er mich im Hause meines Vaters findet.«
»Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, sie bei der Telefongesellschaft in Erfahrung zu bringen.«
»Ach, und du meinst, dort hat er auch gleich noch erfahren, dass ich gerade zuhause bin. Zudem ist er von Bangkok über Paris nach Nîmes geflogen. Ich gäbe einiges dafür, wenn ich wüsste, wer der Kerl ist und ich würde auch gerne wissen, wie er an diese Telefonnummer gekommen ist.«
»Nun, das werden wir ja erfahren, sobald er hier aufkreuzt. Übrigens, da fällt mir ein, dass Frank mir einen Geistlichen aus Rom angekündigt hat. Er möchte dich sprechen und uns seine Hilfe anbieten. Soweit ich mich erinnere, war sein Name Monsignore Sandino de Vegio.
»Warum fällt Dir das jetzt erst ein? Und weißt du überhaupt, wie spät es ist? Bald zwölf!«, Alina schob den Stuhl zurück und verschränkte ihre Arme. »Ich werde sicherlich nicht länger aufbleiben, nur um auf diesen ungebetenen Gast zu warten.«
Gabriel konnte sich ein Lächeln über Alinas aufgebrachte Art nicht verkneifen. Sie sah ihn unwirsch an.
»Na gut, dann trinken wir noch einen letzten Schluck zur Stärkung und gehen dann ins Bett«, schlug er vor und erhob sich, um etwas vom Whisky nachzuschenken, den Alina vor dem Essen offeriert hatte. Sie griff nach dem Glas, bedachte ihn mit einem resignierten Blick und trank das Glas in einem Zug leer.
»So, das war’s«, sagte sie entschlossen. »Alles andere verschiebe ich auf morgen, mir fallen ja schon die Augen zu.« Alina stand auf, wünschte Gabriel gähnend eine gute Nacht und stieg die Treppen zu ihrem Schlafzimmer hinauf.
* * *
Fast alles hatte so geklappt, wie Sandino es vorgesehen hatte, die Landung und das Mietauto, doch das Telefongespräch mit Alina Chanloy war unerwartet
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