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Wächter

Wächter

Titel: Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baxter Clarke
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gehört hatte: einen »Hit« der 1890er, aus denen dieses Chicago herausgerissen worden war. Es war ein bittersüßes Trauerlied von einem alten Mann, der seine Liebe verloren hatte. Die traurigen Stimmen erhoben sich und hallten von den Ziegelstein-, Beton-und Glasfassaden der verlassenen Gebäude um sie herum wider. Sie kündeten von den Hoffnungen, die »nach dem Ball« zerstoben waren.
    Bisesa hörte Glas splittern, das Gelächter von Betrunkenen und dann eine Verpuffung. Sie schaute zurück und sah schon Flammen aus den dunklen oberen Etagen des Lexington Hotel züngeln.

{53}
    AURORA
7. Dezember 2070
    Mit Bill Carel und Bob Paxton an ihrer Seite schaute Bella Fingal aus dem kleinen Kuppelfenster des Shuttles, während sie sich einem der berühmtesten Raumfahrzeuge in der Geschichte der Menschheit näherten.
    Bella war erschöpft; die Anstrengungen der letzten Monate steckten ihr noch in den Knochen. Aber es war nun fast überstanden. Es blieben nur noch ein paar Tage bis zur dichtesten Annäherung der Q-Bombe an die Erde: »Q-Tag«, wie die Kommentatoren es nannten. Die Astronomen und das Militär versicherten ihr täglich, dass die Bombe den neuen Kurs beibehielt, auf den sie eingeschwenkt war, nachdem das Auge auf dem Mars plötzlich zum Leben erwacht war; die Q-Bombe würde nah herankommen und sogar zwischen Erde und Mond hindurchfliegen, aber sie würde den Planeten nicht zerstören.
    Bella musste sich bei ihren Planungen daran orientieren. Heute musste sie zum Beispiel dieser Konferenz auf der Aurora beiwohnen, eine ihrer letzten selbst auferlegten Aufgaben, auf der eine neue Debatte über die Zukunft der Menschheit eröffnet werden sollte. Aber sie sagte sich, dass sie es wie der Rest der Menschheit erst glauben würde, wenn die Q-Bombe wirklich harmlos an ihnen vorbeigeflogen war. Und wie die meisten Menschen wollte auch sie am Q-Tag im Kreis der Familie sein.
    Und dann konnte sie die Bürde des Amtes endlich ablegen und sich dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag stellen,
wo jemand anders die Entscheidungen würde treffen müssen. Sie war damit zufrieden. Im Grunde war sie sogar froh, das Amt niederzulegen, bevor der letzte Akt dieses tödlichen Dramas sich in der Einöde des Mars entfaltete.
    Das Shuttle drehte sich. Sie schreckte auf; sie hatte fast vergessen, wo sie war. Sie spähte aus dem Fenster und konzentrierte sich auf eine ebenso bemerkenswerte wie vertraute Ansicht.
    Die im grellen Sonnenlicht leuchtende Aurora 2 wirkte plump und zerbrechlich. Sie hatte Ähnlichkeit mit dem Puschel einer Cheerleaderin: ein dünner, zweihundert Meter langer Zylinder, der Antriebseinheiten und Mannschaftsunterkünfte verband. Das Schiff machte einen ziemlich desolaten Eindruck: Der Anstrich blätterte ab, die Solarzellenarrays waren geschwärzt und eingerollt, und an einer Stelle war die Hülle des Wohnmoduls verschmort und hatte sich zusammengezogen und Spanten und Trennwände freigelegt. Die Aurora hatte offensichtlich unter starkem Feuer gelegen. Aber sie hatte ihren Auftrag ausgeführt.
    Die Aurora war als das zweite bemannte Schiff zum Mars geflogen. Sie hatte den Auftrag gehabt, Bob Paxton und seine Besatzung aufzunehmen und im »Triumphflug« nach Hause zu bringen. Aber der Sonnensturm hatte diese Pläne vereitelt, und die Aurora 2 , eines der größten Raumfahrzeuge ihrer Zeit, wurde nun für andere Zwecke benötigt als die Forschung und deshalb zur Erde zurückbeordert. L1, ein stationärer Punkt zwischen Sonne und Erde, war der logische Punkt für die Aufhängung eines Schilds, der die Erde vor dem Wüten des Sonnensturms schützen sollte. Also war die Aurora hier stationiert und hatte als eine »Bauhütte« für die Arbeiter und Ingenieure gedient.
    Der Schild war nicht mehr da. Der Sturm hatte ihn zu einem monumentalen Wrack gemacht, das man dann ausgeschlachtet hatte, um neue Stationen im Weltraum und auf dem Mond zu errichten. Aber die Aurora selbst blieb hier an L1 - als ewiges
Denkmal an jene denkwürdigen Tage, und ein Stück des Schildes war sogar ums Schiff drapiert worden. Seine glitzernde Oberfläche wuchs spiralförmig aus dem eingebetteten Rumpf wie ein Spinnennetz.
    Bella warf einen Blick auf ihre Mitreisenden. Der zerbrechlich wirkende Bill Carel zitterte leicht. Sein Gesichtsausdruck kündete vom Zorn wegen des Verrats durch seinen Sohn, und er schien das sich nähernde Schiff kaum wahrzunehmen.
    Bob Paxtons Gesichtsausdruck war schwieriger zu entschlüsseln.
    Bella hatte während

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