Wächter

Nationen der Erde galt. Die Spacer hatten natürlich ihre eigenen internen Rivalitäten. Doch im Angesicht einer Erde, die auf eine blaue Lampe reduziert im Himmel hing - falls sie sie überhaupt sahen -, fiel es ihnen immer schwerer, sich als amerikanische oder albanische Spacer gegen britische oder belgische Spacer zu positionieren …
    » ›Spacer‹ ist sowieso eine absurde Etikettierung. Ein negativer Begriff, der eigentlich ›nicht von der Erde‹ bedeutet. Wir sind alle verschieden, und wir haben alle unsere eigene Meinung.«
    »So sieht’s nämlich aus«, knurrte Bob Paxton. »Es gibt mehr Meinungen als Scheiß- Spacer .«
    »Was ich damit sagen will, ist, dass Sie uns nicht mehr unter Kontrolle haben. Wir sind nicht einmal imstande, uns selbst zu regieren - und das würden wir auch gar nicht wollen. Wir haben einen neuen Weg eingeschlagen, Dad, von dem wir noch nicht wissen, wohin er überhaupt führen wird.«
    »Oder was aus euch überhaupt werden wird«, sagte Carel sarkastisch. »Aber ich muss dich diesen Weg gehen lassen, komme, was da wolle. Richtig?«
    Alexej lächelte. »Leider ja.«
    Und nun erkannte Bella auch den Subtext im Diskurs zwischen Erde und Spacern . Wenn die Mutter-Welt ihren Griff lockerte, würde sie ihre Kinder für immer verlieren.
    Bob Paxton grunzte. »Mein Gott, mir kommen gleich die Tränen.«
    »Schon gut, Bob«, sagte Bella. »Das ist eine ernste Sache. Eine meiner letzten Amtshandlungen wird die Einberufung einer neuen verfassungsgebenden Versammlung sein, für uns alle -
Erde und das ganze Sonnensystem -, auf der Grundlage fundamentaler Menschenrechtsgrundsätze. Eine Weltregierung brauchen wir nicht , glaube ich. Was wir wirklich brauchen, sind neue Mechanismen, neue politische Strukturen, die mit der neuen Entwicklung konform gehen. Keine weiteren Machtzentren«, sagte sie. »Nicht noch mehr Geheimnisse. Wir brauchen stattdessen Mechanismen, die unsere Einigung vorantreiben, die Ressourcengerechtigkeit und Chancengleichheit gewährleisten - und Instanzen, die im Ernstfall schnell reagieren.«
    »Falls die Erstgeborenen es zum Beispiel noch mal versuchen«, sagte Paxton.
    »Ja. Aber wir müssen in der Lage sein, Bedrohungen zu begegnen, ohne unsere Freiheiten zu opfern.« Sie ließ den Blick über die Gesichter schweifen, die je nach Disposition einen offenen oder zynischen Blick hatten. »Es gibt keinen Präzedenzfall dafür, wie eine Zivilisation, die sich über mehrere Welten erstreckt, sich organisieren soll. Vielleicht wissen es die Erstgeborenen; doch wenn sie es wissen, sagen sie es uns nicht. Ich könnte mir aber vorstellen, dass das die nächste Stufe in unserem zivilisatorischen Reifeprozess ist.«
    »Reife? Das klingt utopisch«, sagte Bill Carel vorsichtig.
    Bob Paxton grunzte. »Ja. Und wir sollten auch nicht vergessen, dass, so viele Köpfe ihr Spacer -Mutanten euch auch wachsen lasst, wir alle durch eine Sache vereint werden.«
    »Die Erstgeborenen«, sagte Lyla.
    »Verdammt richtig«, bestätigte Paxton.
    »Ja«, sagte Bella. »Dann erörtern Sie mit uns die neuen Vorschläge, Bob. Die nächste Phase von Festung Sol.«
    Er schaute sie besorgt an. »Sind Sie sich da sicher, Frau Vorsitzende?«
    »Offenheit, Bob. Das ist nun die Losung.« Sie lächelte den anderen zu. »Bob und sein Patriotisches Komitee haben eine Prioritätenliste erstellt. Wenn auch ihr eigener rechtlicher Status aufgrund der vorangegangenen Ereignisse einer Prüfung unterzogen wird.«

    Alexej lächelte. »Euch alte Himmels-Krieger hält einfach nichts am Boden, wie, Admiral Paxton?«
    Paxton sah ihn mordlüstern an. Bella legte ihm die Hand auf den Arm, bis er sich wieder beruhigt hatte.
    »Also gut. Priorität eins: Wir müssen jetzt handeln . Zwischen dem Sonnensturm und der Q-Bombe hatten wir eine Generation, um uns vorzubereiten. Und dabei wussten wir nicht einmal, was auf uns zukam. Aber im Rückblick haben wir nicht genug getan, und wir dürfen diesen Fehler nicht wiederholen. Das einzig Gute an der Q-Bombe ist, dass sie die öffentliche Meinung zur Unterstützung für solche Maßnahmen mobilisiert.
    Priorität zwei: die Erde. Viele von uns waren davon betroffen, als ihr Arschlöcher von Spacern die Weltraumaufzüge sabotiert habt. Wir wussten immer, wie verwundbar ihr in euren Kuppeln und Schmetterlings-Raumschiffen seid. Wir wussten aber nicht, wie verwundbar die Erde ist. Tatsache ist, dass wir Teil eines Verbunds aus weltraumgestützter und irdischer Ökonomie sind. Also