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Wächter

Wächter

Titel: Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baxter Clarke
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schließlich erfuhr.
    »Das Gegengewicht muss ständig erhöht werden, um die zunehmende Masse des Bandes auszugleichen«, sagte Alexej. »Deshalb kehrt auch keiner der Spinnen-Lastwagen zur Erde zurück außer den Bauarbeitern.«
    Bisesa schaute sich in der unordentlichen Kabine um, die durch ihren Aufenthalt verschmutzt worden war. Sie verspürte einen Anflug von Bedauern. »Und ist das auch für diese Spinne die Endstation?«
    »O nein«, sagte Alexej. »Sieh wird den Fünfundsechzigtausend-Kilometer-Punkt nicht überschreiten. Zwölf Tage von der Erde entfernt.«
    Bisesa warf einen Blick auf Myra. Sie spürte, dass auch sie eine vage Ahnung von dem hatte, was noch auf sie zukommen würde. »Und was dann?«
    »Erinnern Sie sich noch, dass ich sagte, wir würden zur Erde zurückfallen, falls die Spinne vor dem geosynchronen Punkt den Halt verliert? Aber wenn wir nach dem geosynchronen Punkt loslassen …«

    »Werden wir aus der Erdumlaufbahn geschleudert«, sagte Myra. »In den interplanetarischen Raum.«
    »Wenn man in der richtigen Höhe aus dem Aufzug aussteigt, kann man sich durch diesen Schwung überallhin katapultieren lassen. Zum Beispiel auf den Mond.«
    »Ist das unser Ziel?«
    Alexej lächelte. »Noch ein bisschen weiter.«
    »Wohin dann, verdammt? Es ist jetzt sowieso Schluss mit der Geheimniskrämerei - sobald wir den Aufzug verlassen, werden die Behörden wissen, wohin wir gehen.«
    »Zum Mars, Mama. Zum Mars .«
    Bisesa war verwirrt. »Mars?«
    »Wo - nun, wo etwas auf dich wartet.«
    »Aber in dieser kleinen Kapsel werden wir den Flug zum Mars doch gar nicht überleben.«
    »Natürlich nicht«, sagte Alexej. »Man wird uns unterwegs aufsammeln. Wir treffen uns mit einem Lichtschiff. Ein Sonnensegel-Schiff. Es ist bereits unterwegs.«
    Bisesa runzelte die Stirn. »Aber wir haben doch gar keine Raketen, oder? Sobald wir uns vom Band gelöst haben, verfügen wir über keine Antriebskraft mehr.«
    »Wir brauchen auch keine. Das Schiff wird sich mit uns treffen.«
    »Mein Gott«, sagte Bisesa. »Und wenn etwas schiefgeht …«
    Alexej lächelte ungerührt.
    Nach all den Gesprächen mit Alexej in dieser langen Zeit glaubte Bisesa einen Einblick in seine Psyche erhalten zu haben - die Psyche eines Spacer s, die sich von der eines Erdlings in einigen Punkten unterschied.
    Alexej verspürte so etwas wie eine krankhafte Angst vor einem Defekt der ihn umgebenden Maschinerie, weil schließlich sein Leben davon abhing. Andererseits vertraute er unerschütterlich auf das Wirken der Orbits und Flugbahnen und Abfangkurse; er lebte in einem Reich, das unübersehbar von der Himmelsmechanik beherrscht wurde - wie ein mächtiges,
lautloses Uhrwerk, das mit absoluter Zuverlässigkeit funktionierte. Deshalb wähnte er sich auch sicher wie in Abrahams Schoß, sobald sie sich vom Band getrennt hatten; es war schlichtweg unvorstellbar für ihn, dass sie die Begegnung mit dem Lichtschiff verpassen würden. Wogegen Bisesa und Myra gerade vor dieser Eventualität Angst hatten.
    Dort lag irgendwo der Schlüssel zum Verständnis von Alexej und der neuen Spacer -Generation, sagte Bisesa sich. Und sie glaubte, dass sie ihn noch besser verstehen würde, wenn sie diese eigenartigen Gebete verstand, die er geistesabwesend vor sich hin trällerte: Psalmen für die »Unbesiegte Sonne«.
     
    Am zwölften Tag saßen sie gespannt auf den Klappstühlen. Die lose Ausrüstung hatten sie in Erwartung der plötzlichen Schwerelosigkeit gesichert, die eintreten würde, sobald Alexejs Sprengbolzen die Kabine vom Seilzug trennten.
    Alexej musterte seine Besatzungsmitglieder. »Wünscht jemand einen Countdown?«
    »Halt’s Maul!«, sagte Myra grob.
    Bisesa schaute am Band entlang, das seit zwölf Tagen ihr Bindeglied zur Realität gewesen war und an dem die auf die Größe einer Murmel verkleinerte Erde hing. Sie fragte sich, ob sie sie jemals wieder in voller Größe sehen würde - und was noch vor ihr lag, bevor sie wieder in den Genuss dieses Anblicks kam.
    »Los geht’s!«, flüsterte Alexej.
    Ein Blitz zuckte unter dem Kabinendach auf, das sich in den Boden verwandelt hatte. Das Band fiel erschreckend schnell weg, und die Gravitation verpuffte wie ein Traum. Während sie haltlos umhertaumelten und lose Gegenstände um sie herumflogen, wollte Alexej sich schier ausschütten vor Lachen.

{15}
LIBERATOR
    April 2069
     
    John Metternes, der Bordingenieur, rief Edna von Achilles aus an. Es war wieder eine Stockung eingetreten. Die Techniker

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