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Wächter

Wächter

Titel: Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baxter Clarke
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geprüft. »Es scheint so.«
    »Aber nur mit einer niedrigen Übertragungsrate«, wisperte das Telefon. »Und selbst diese Verbindung ist ziemlich schlecht …«
    Da kam Bisesa eine Idee. »Telefon - ich frage mich, wie nah die Chicagoer schon an der Funktechnologie dran sind.«
    Als Antwort zeigte das Telefon einen Textblock an. Nur eine Generation vor der Chicagoer Zeitscheibe, als James Clerk Maxwell, der schottische Physiker, den Alexej Carel so bewunderte, vorhergesagt hatte, dass elektromagnetische Energie sich im Raum ausbreiten könne. Die Scheibe selbst war in den paar Jahren zwischen den ersten praktischen Nachweisen von Heinrich Hertz und der Überbrückung des Atlantiks durch Guglielmo Marconi »ausgestanzt« worden.
    »Wir sollten das weiterverfolgen, Abdi. Stellen Sie sich vor, wie nützlich eine Funkverbindung mit Babylon in diesem Augenblick wäre. Vielleicht eröffnen wir ein Radiofachgeschäft, wenn wir in Chicago sind - Sie und ich.«
    Abdi war aufgeregt. »Das wäre toll …«
    »Vielleicht sollten Sie Ihre Pläne zur Unterstützung von uns armen Chicagoern so lange auf Eis legen«, echauffierte Emeline sich, »bis Sie wissen, was wir aus eigener Kraft zu leisten vermögen.«
    »Ich bitte um Verzeihung, Emeline«, sagte Bisesa schnell. »Ich war gedankenlos.«
    Emeline entspannte sich. »Schon in Ordnung. Gehen Sie aber nur nicht mit Ihren phantastischen Apparaten bei Bürgermeister Rice und dem Notstands-Komitee hausieren, oder Sie werden wirklich Anstoß erregen. Zumal es sowieso nicht den geringsten Unterschied machen wird«, sagte sie wieder übellauniger, »wenn die Vermutung Ihres Spielzeugs stimmt, dass das Ende der Welt gekommen sei. Weiß es denn auch, wie viel Zeit wir noch haben?«

    »Die Daten sind unzuverlässig«, wisperte das Telefon. »Handschriftliche Aufzeichnungen von Beobachtungen mit bloßem Auge und von Instrumenten, die aus einem abgestürzten Hubschrauber geborgen wurden …«
    »Ich weiß«, sagte Bisesa. »Nenn uns einfach deine beste Schätzung.«
    »Fünfhundert Jahre. Vielleicht auch weniger.«
    Sie ließen das auf sich wirken. Dann lachte Emeline, aber es klang gezwungen. »Sie haben uns wirklich nichts als schlechte Nachrichten überbracht, Bisesa.«
    Aber Abdikadir schien völlig ungerührt. »Fünf Jahrhunderte sind eine lange Zeit. Wir werden schon lange vorher wissen, was zu tun ist.«
     
    Wie angekündigt verbrachten sie die Nacht im Zug.
    Die frostige Nachtluft, der heimelige Geruch nach Holzrauch und das unablässige Rattern der Eisenräder auf den unebenen Schienen wiegten Bisesa in den Schlaf. Doch das Rütteln des Zuges weckte sie immer wieder auf.
    Und einmal hörte sie in der Ferne Tiere - ihre Schreie klangen wie das Heulen von Wölfen, aber tiefer und kehliger. Sie erinnerte sich, dass das kein lauschiger Safaripark war. Das war die Realität, und das Amerika des Pleistozän war eine Welt, die der Mensch sich noch nicht untertan gemacht hatte. Aber der Ton der Tiere brachte auch bei ihr eine Saite zum Klingen - sie verspürte sogar ein Gefühl der Befriedigung. Zwei Millionen Jahre hatten Menschen sich in einer Landschaft entwickelt, die von solchen Geschöpfen wimmelte. Vielleicht vermissten sie die verschwundenen großen Tiere, ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein. Und so hatte die Jefferson-Bewegung mit dem Motto »Zurück zu den Ursprüngen« vielleicht genau die richtige Idee gehabt.
    Es war dennoch Furcht einflößend, sie im Dunklen zu hören. Sie spürte den Blick von Emeline, deren Augen weit offen waren. Doch Abdikadir schnarchte leise in jugendlicher Unschuld.

{38}
AUSSENEINSATZ
    März 2070
     
    Juri und Grendel luden Myra zu einem Ausflug ein. - »Nur eine Routineinspektion und Probensammlung«, sagte Juri. »Aber Sie möchten vielleicht die Gelegenheit nutzen, einmal nach draußen zu gehen.«
    Draußen. Nach der monatelangen Isolation in einem Eiskasten und in einer Landschaft, die so flach und öde war, dass man selbst bei Sonnenschein in einem sensorischen Deprivationstank zu liegen glaubte, glich das Wort für Myra einer Verheißung.
    Als sie jedoch von einer Habitatkuppel durch einen flexiblen Schlauch zu Juri und Grendel in den Rover stieg, wurde sie sich - zu spät - bewusst, dass sie quasi nur aus einem Gefängnis in ein anderes verlegt worden war.
    Grendel Speth schien zu spüren, was Myra fühlte. »Sie werden sich schon noch daran gewöhnen. Wenigstens werden Sie auf dieser Fahrt verschiedene Ansichten aus dem Fenster

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