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Wächter

Wächter

Titel: Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baxter Clarke
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Bündelung der Beobachtungen von Abdi und des Handys hatten das Telefon und der Braintrust auf dem Mars ermittelt, dass das Universum, in das Mir eingebettet war, sich ausdehnte - rasant ausdehnte. Zum Beispiel entfernte die Andromeda-Galaxis, die große Nachbar-Galaxie der Milchstraße, sich schnell. Die Kosmologen hatten das mit der Expansion des erdeigenen Universums verglichen, die durch eine Art dunkle Energie, ein Antigravitations-Feld namens »Quintessenz« vorangetrieben wurde. Diese Quintessenz riss auch Bisesas Universum auseinander. Nur dass es hier viel früher geschah.
    Auf dieser Grundlage war die Vorhersage eines baldigen Endes des Universums getroffen worden, obwohl die Zahlen noch ungenau waren. Das Telefon vermutete anhand der Rotverschiebung ferner Sterne, dass die Galaxis selbst schon auseinanderdriftete. Das Ende der Welt zeichnete sich bereits am Himmel ab, wenn man wusste, wonach man zu suchen hatte.
    Und das Telefon machte Bisesa auf die Planeten aufmerksam: den Mars am Abendhimmel und die Venus als heller Morgenstern.
    »Wir haben sie das letzte Mal nicht gesehen«, flüsterte das Handy. »Als ich beim Versuch, Mir zu datieren, den Himmel absuchte.«
    »Ich erinnere mich.«
    »Die Sichtungen waren immer zu schlecht. Ich habe auch nie einen Unterschied zwischen ihnen bemerkt …«
    Sowohl Mars als auch Venus, Geschwister der Erde, waren himmelblaue Scheiben.

{36}
HUBBLE
    Januar 2070
     
    Das über der Erde driftende Teleskop war ein dicker Doppelzylinder mit einer Länge von dreizehn Metern, und seine zwei großen flachen Solarzellen-Paneele waren zur Sonne ausgerichtet.
    Der schlankere vordere Zylinder mit der offiziellen Bezeichnung forward shell war hinten offen. Die an einem Scharnier befestigte Abdeckung war geöffnet. An der Basis der forward shell - im Innern des kurzen, gedrungenen Zylinders mit der Bezeichnung aft shroud - befand sich ein Spiegel, eine Scheibe mit einem Durchmesser von über zwei Metern. Der Spiegel bestand aus formbeständigem Titan-Silikat-Glas mit Präzisionsschliff und einer Beschichtung aus Aluminium-MagnesiumFluorid. Das vom Hauptspiegel gesammelte Licht wurde auf einen kleineren Sekundärspiegel fokussiert und dann durch eine Lücke im Hauptspiegel auf eine Gruppe wissenschaftlicher Instrumente reflektiert. Die Instrumente umfassten Kameras, Spektralanalysegeräte sowie Kalibrierungsinstrumente für Lichtstärke und Polarisation.
    An der Außenseite der Hülle verliefen Handläufe. Das Teleskop war eigens für die Abmessungen des Laderaums einer Raumfähre konzipiert und ermöglichte wegen des modularen Aufbaus und der leichten Zugänglichkeit eine regelmäßige Wartung durch Astronauten-Ingenieure.
    Als Weltraumprojekt hatte das Teleskop unter Kostenüberschreitungen und Verzögerungen gelitten und war überhaupt
vom allmählichen Niedergang der NASA beeinträchtigt worden. Der Start war wegen der Challenger -Katastrophe um Jahre verschoben worden. Und als die Apparatur schließlich an Ort und Stelle war, wurden die ersten übermittelten Bilder durch eine »sphärische Aberration« entwertet, einen winzigen Haarriss im Spiegel, den man bei den Tests übersehen hatte. Es dauerte dann noch einmal ein paar Jahre, bis ein anderes Shuttle eine Korrekturlinse hinaufbrachte, um die Abweichung zu neutralisieren.
    Aber mit ihm war ein alter Traum der ersten Weltraum-Visionäre in Erfüllung gegangen: ein Fernrohr über der trüben Erdatmosphäre zu stationieren. Das Teleskop vermochte die Wolkendecke des Jupiter mit einer Auflösung bis zu zweihundert Kilometern abzubilden.
    Es hieß, das Teleskop sei in den Augen der Öffentlichkeit die populärste Mission der NASA seit den Mondlandungen. Noch Jahrzehnte nach dem Start zierten die Abbildungen des Teleskops Softwalls und Bild-Tattoos.
    Doch die Wartungsmissionen der Shuttles waren immer schon sündhaft teuer gewesen und wurden nach der Columbia -Katastrophe ein Ding der Unmöglichkeit. Und das Teleskop alterte auch. Astronauten ersetzten zwar verschlissene Gyroskope, erblindete Sonnenkollektoren und spröde Isolierungen, doch die optischen Oberflächen waren den Auswirkungen des Sonnenlichts, dem Aufprall von Mikrometeoriten und Raumfahrzeugtrümmern ausgesetzt und der Korrosion durch die dünnen, reaktionsfreudigen Gase der oberen Erdatmosphäre.
    Schließlich wurde das Teleskop durch einen jüngeren, billigeren und wirksameren Nachfolger ersetzt. Es wurde angewiesen, sich so zu positionieren, um die atmosphärische

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