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Wächter

Wächter

Titel: Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baxter Clarke
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genießen.« Juri und Grendel saßen vorne, und Myra hinten. »Alle angeschnallt?«, rief Juri. Er drückte auf eine Taste und lehnte sich zurück.
    Die Luke schlug klirrend zu und wurde verriegelt, der Tunnel zum Habitat löste sich mit einem schmatzenden Geräusch, und der Rover fuhr langsam an.
     
    Es war Sommer in der nördlichen Hemisphäre. Der Frühling hatte um die Weihnachtszeit Einzug gehalten - mit einer explosiven
Sublimation von Trockeneis-Schnee, der bei der Berührung des Sonnenlichts verdampfte, und für einige Zeit war die Sicht noch schlechter geworden als im Winter. Trotz der restlichen, schwindenden Schicht aus Trockeneis-Schnee war das Schlimmste der Frühlingstauphase überstanden, die winterliche Wolkendecke hatte sich längst aufgelöst und die Sonne lief tief an einem klaren orange-braunen Himmel um.
    Es war überhaupt das erste Mal, dass Myra eine Reise in einem Rover der Basis unternahm. Er war viel kleiner als das Vehikel, mit dem sie von Lowell hierher gefahren war. Der enge Innenraum wurde von einem Miniaturlabor, einer Umkleidekabine, einer winzigen Küche und einer Toilette mit einem Becken ausgefüllt, wo sie sich mit einem Schwamm würde waschen müssen. Der Rover zog einen Anhänger, der aber keinen mobilen Kernreaktor enthielt wie die Discovery von Lowell, sondern eine Methangasturbine.
    »Wir gewinnen das Methan aus dem Mars-Kohlendioxyd«, rief Juri zu ihr nach hinten. »Gehört auch zu Hanses ISRU.« Er sprach es iss-ruh aus . In-Situ-Ressourcennutzung. »Aber es ist ein langwieriger Prozess, und wir müssen immer ziemlich lange warten, bis der Tank voll ist. Deshalb können wir uns auch nur ein paar solcher Ausflüge pro Jahr leisten.«
    »Ihr braucht einen Reaktor«, sagte Myra.
    Juri grunzte. »Lowell hat die beste Ausrüstung eingesackt und uns nur die zweite Wahl gelassen. Aber sie erfüllt wenigstens ihren Zweck.« Und er schlug wie um Entschuldigung heischend auf die Instrumententafel des Rovers.
    »Die Fahrt wird aber nicht allzu aufregend«, gab Grendel zu bedenken.
    »Echt?«, fragte Myra.
    »Aber Sie tun uns einen Gefallen damit«, rief Juri. »Gemäß Dauerbefehl müssen an jeder Exkursion mit einem Aktionsradius von mehr als einer Tagesreise von der Station drei Personen teilnehmen. Aber wir tun und lassen eh, was wir wollen. Manchmal fahren ich oder Grendel diese Route
sogar allein. Aber die KIs reagieren allergisch auf Regelverstöße.«
    »Wir sind unterbesetzt«, sagte Grendel. »Nominell sollte Wells Station zehn Personen aufnehmen. Aber es gibt einfach zu viel auf dem Mars zu tun.«
    »Und ich glaube, dass Ellie mit ihrer Arbeit in der Grube voll ausgelastet ist.«
    Grendel zog eine Schnute. »Nun ja. Aber irgendwie gehört sie sowieso nicht zu uns. Sie ist keine Marsianerin.«
    »Was ist mit Hanse?«
    »Hanse ist ein vielbeschäftigter Mann«, sagte Juri. »Wenn er die Station mal nicht betreibt oder gerade keine Löcher ins Eis bohrt, führt er seine ISRU-Experimente aus. Er lebt vom Land - hier auf dem Mars. Man könnte glauben, dass der Nordpol des Mars ein denkbar ungünstiger Ort für solche Versuche sei . Aber, Myra, es gibt hier Wasser, und zwar direkt an der Oberfläche in Form von Eis. So etwas gibt es nirgends sonst auf den inneren Welten, von geringen Mengen an den Polen des Mondes einmal abgesehen.«
    »Und Hanse denkt in noch größeren Zusammenhängen«, sagte Grendel.
    »Myra, es gibt viele Ähnlichkeiten zwischen den Lebensbedingungen hier auf der Mars-Eiskappe und den Monden von Jupiter und Saturn«, sagte Juri, »die im Grunde nicht mehr darstellen als große Eiskugeln mit einem Gesteinskern. Also erprobt Hanse Technologien, die uns dort vielleicht ein Überleben ermöglichen.«
    »Ein ehrgeiziges Unterfangen.«
    »Sicher«, sagte Juri. »Aber er ist Südafrikaner mütterlicherseits. Und Sie wissen, aus welchem Holz die Afrikaner heutzutage geschnitzt sind. Sie waren in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht die großen Gewinner des Sonnensturms. Ich glaube, dass Hanse sich dem Mars verpflichtet fühlt. Aber er ist ein afrikanischer Marsianer und verfolgt weiterreichende Absichten …«

    Nach einer mehrstündigen Fahrt erreichten sie die Kante einer spiralförmigen Felsschlucht.
    Die erodierte Eiswand war dünn, und die Felsschlucht war auch nicht sonderlich tief; Myra traute es dem Rover durchaus zu, den Boden zu erreichen, und tatsächlich schlängelte sich die ausgefahrene Spur, der sie folgten, in die Felsschlucht hinab. Aber sie

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