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Wächter

Wächter

Titel: Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baxter Clarke
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gehabt hätte.«
    »Ich war damals zehn Jahre alt«, sagte Grendel. »Ich bin in Ohio aufgewachsen. Wir waren eine Farmer-Familie weitab von jeder Kuppel. Dad hatte uns einen Bunker wie ein Sturmschutz gebaut. Wir haben alles verloren und wurden dann auch in die Flüchtlingslager gesteckt. Mein Vater starb ein paar Jahre später. An Hautkrebs.
    In den Lagern arbeitete ich als freiwillige Krankenschwester in Triage-Stationen. Da bin ich wohl auf den Geschmack für die Medizin gekommen. Ich wollte mich nie wieder so hilflos fühlen vor Menschen, die an Schmerzen litten. Und nach dem Sonnensturm, nach den Lagern, habe ich an ökologischen Wiederherstellungsprogrammen im Mittleren Westen gearbeitet. So bin ich zur Biologie gekommen.«
    »Und ich wurde erst nach dem Sonnensturm geboren«, sagte Juri fröhlich. »Auf dem Mond. Meine Mutter war Russin und mein Vater Ire. Ich habe trotzdem einige Zeit auf der Erde verbracht. Als ein Teenager habe ich an Öko-Wiederherstellungsprogrammen
in der kanadischen Arktis mitgearbeitet.«
    »Und da sind Sie auf den Geschmack für das Eis gekommen.«
    »Gut möglich.«
    »Und nun sind Sie hier«, sagte Myra. »Nun sind Sie ein Spacer .«
    »Marsianer«, widersprachen Grendel und Juri unisono.
    »Die Spacer hocken auf ihren Felsen im Himmel«, erklärte Juri. »Und wir teilen ihre Ambitionen nicht unbedingt.«
    »Aber was das Auge in der Grube betrifft, seid ihr euch mit ihnen einig.«
    »Ja, natürlich«, sagte Juri. »Aber im Grunde bin ich damit schon zufrieden.« Er wies auf die Gebilde aus Eis vor dem Fahrzeug. »Der Mars. Der genügt mir.«
    »Ich beneide euch«, entfuhr es Myra. »Um euren Sinn für das Wesentliche. Um das, was ihr hier geschaffen habt.«
    Grendel drehte sich verwundert zu ihr um. »Neid ist kein guter Ratgeber, Myra. Sie leben doch Ihr eigenes Leben.«
    »Ja. Aber ich habe trotzdem das Gefühl, dass ich quasi im Abspann meines Lebens lebe.«
    Grendel grunzte. »Wenn man bedenkt, wer Ihre Mutter ist, ist das auch verständlich. Wir können später darüber sprechen, wenn Sie mögen.«
    »Oder wir können über meine Mutter sprechen«, sagte Juri, »die mich lehrte, Wodka zu trinken. Manche müssen sich die Welt ›schön trinken‹.«
    Ein leises Warnsignal ertönte, und ein grünes Feld leuchtete auf der Instrumententafel auf. Juri tippte darauf, und es füllte sich mit dem Gesicht von Alexej Carel. »Ihr solltet besser zurückkommen. Tut mir leid, dass ich euch den Spaß verderben muss.«
    »Was gibt’s?«, fragte Juri.
    »Ich habe zwei Nachrichten. Einmal für Myra: Wir sollen uns bei Cyclops melden.«
    »Die Planetensucher-Station? Wieso das denn?«

    »Um mit Athene zu sprechen.«
    Juri und Grendel wechselten Blicke. »Und die zweite Nachricht?«, fragte Juri.
    Alexej grinste. »Ellie von Devender hat etwas in der Grube herausgekriegt. ›Die häufigste Bildzeichen-Folge‹ - sie sagte, dass Sie Bescheid wüssten, Myra. Sie wird es dem Rest von uns erklären, wenn ihr zurück seid.«
    »Zeigen Sie’s uns«, sagte Myra.
    Alexejs Gesicht verschwand, und der Bildschirm wurde mit vier markanten Symbolen erfüllt:

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DAS NEUE CHICAGO
    Sie erreichten New Chicago um die Mittagszeit. Es gab hier einen richtigen Bahnhof mit einem Bahnsteig und einem kleinen Bahnhofsgebäude mit Warteraum und Fahrkartenschalter. Aber die Strecke endete hier; für die Weiterreise nach Norden zum alten Chicago würden sie ein anderes Transportmittel finden müssen.
    Emeline ging mit ihr vom Bahnhof in die Stadt. Sie sagte, dass es vielleicht Tage dauern würde, um die Weiterreise zu organisieren. Sie hoffte, dass sie in einem der zwei kleinen Hotels der Stadt ein Zimmer bekämen; wenn nicht, würden sie sich nach einer Privatunterkunft umsehen müssen.
    Das neue Chicago war am vormaligen Standort von Memphis erbaut worden, aber es gab hier keine Spur von dieser Stadt. Durch die Holzhäuser, die bunten Aushängeschilder, die Pferdebahnen und ungepflasterten Straßen wurde Bisesa an Hollywood-Filme von Städten des alten Wilden Westens erinnert. Die Straßen waren recht belebt: Erwachsene, die ihren Verrichtungen nachgingen, Kinder die vor einem Schulhaus umherliefen. Ein paar Erwachsene fuhren sogar Fahrrad - als »Räder« bezeichnete Sicherheitsfahrräder. Eine Erfindung, die zum Zeitpunkt der Diskontinuität erst ein paar Jahre alt gewesen war. Viele Städter waren auch in Pelze wie arktische Robbenjäger gehüllt, und vor den Saloons waren Kamele neben den Pferden

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