Wächterin der Dunkelheit: Roman (German Edition)
seltsam klang. Bis zu dem Tag, an dem er sie verraten hatte, war er der Mensch gewesen, den sie mehr als alles andere auf der Welt geliebt hatte. Michel hatte diesen lässig-eleganten Charme besessen, mit dem er jeden in seinen Bann schlug. Im Gegensatz zu Alexion war er kein einziges Mal ins Fettnäpfchen getreten.
Andererseits hatte Alexion wenig Kontakt mit anderen Menschen, wenn sie seinen Worten Glauben schenken durfte.
»Oh, tu’s nicht, Danger.«
Zu spät. Sie war bereits aufgestanden und machte sich auf die Suche nach ihm.
Sie fand ihn unten, wo er eine ihrer DVD s in der Hand hielt, als hätte er noch nie eine gesehen.
»Alles klar?«, fragte sie.
Er nickte mit finsterer Miene. »Was ist denn das?«
»Eine DVD . So was haben wir oben gerade angesehen.«
»Eine DVD ?«
Er wusste also nicht, was eine DVD war? War so etwas möglich? »Richtig. Sehen Sie sich zu Hause Ihre Filme denn nicht auf DVD an?«
»Nein. Die Filme laufen eben.«
Sie sah ihn mit gerunzelter Stirn an. »Was meinen Sie damit?«
Er tat so, als wäre seine Erklärung völlig einleuchtend. »Wann immer Simi oder Ash sich etwas ansehen wollen, erscheint es auf dem Bildschirm.«
»Einfach so?«
»Ja.«
Das war völlig unmöglich. »Sie meinen, Sie haben ein Film-Abo?«
»Wir haben alles, was wir wollen und wann wir es wollen. Ich sehe mir jedenfalls gezielt Filme an, wenn Simi nicht zu Hause ist. Sie dagegen konsumiert sie wie am Fließband.«
Schon wieder dieser Name. »Wer ist diese Simi, von der Sie ständig reden?«
Alexion stand auf. Sein erster Impuls war, Dangers Frage nicht zu beantworten, aber eigentlich gab es keinen Grund, es ihr vorzuenthalten. »Sie ist eine Mischung aus Adoptivtochter und nervtötender kleiner Schwester.«
»Und sie lebt bei Ihnen und Acheron? In seinem Haus, von dem keiner weiß, dass es existiert?«
»Genau.«
Danger war erstaunt, wie scheinbar mühelos sie ihm etwas hatte entlocken können. »Und niemand kommt je zu Besuch?«, hakte sie nach, in der Hoffnung auf mehr.
»Nur Artemis und Urian.«
Artemis kannte sie. »Urian?« Ehe er etwas sagen konnte, beantwortete sie ihre Frage selbst. »Moment. Lassen Sie mich raten – er ist auch ›anders‹.«
»Ja.«
»Ist Ash der Einzige, der nicht ›anders‹ ist?«
Seine Miene wurde ausdruckslos, als wolle er etwas vor ihr verbergen.
Danger hatte Mühe, ihn nicht fassungslos anzustarren. »Wollen Sie damit sagen, dass Ash auch ›anders‹ ist?«
»Ich sage überhaupt nichts.«
Das brauchte er auch nicht. Sein Schweigen sprach Bände. Sie hätte gern weitere Fragen darüber gestellt, was Ash und Simi waren, beschloss jedoch, dass sie für heute genug fruchtlose Versuche unternommen hatte. Sie war es leid, ständig gegen die sprichwörtliche Mauer anzurennen.
Mit einem resignierten Seufzer sah sie zum Plasmafernseher hinüber, der durch ein Wunder wieder funktionstüchtig war. »Haben Sie etwa meinen Fernseher repariert?«
»Das erschien mir angemessen, nachdem ich ihn schließlich kaputt gemacht hatte.«
Sie trat hinüber, um ihn in Augenschein zu nehmen. Er sah völlig normal aus. Und kaum stand sie davor, erwachte der Bildschirm zum Leben.
Danger machte vor Schreck einen Satz. Die Fernbedienung lag auf dem Bücherregal vor ihr. »Wie haben Sie das gemacht?«
»So wie immer.« Der Fernseher ging aus.
Eilig wandte sie sich ab. Welche Kräfte besaß dieser Mann?
Er trat hinter sie. Seine Gegenwart war irritierend. Sie war sich seiner Anwesenheit bewusster, als sie es je zuvor bei einem Mann erlebt hatte. Etwas an ihm zog sie regelrecht magisch an.
»Hab keine Angst vor mir, Danger«, flüsterte er dicht neben ihrem Ohr, was ihr einen eisigen Schauder über den Rücken jagte. »Ich werde dir niemals wehtun, solange du nicht versuchst, Acheron zu schaden.«
»Nein, nur meinen Freunden.«
Sie spürte, wie er ihren Zopf hochhob und ihn sich dicht vors Gesicht hielt, um den Duft ihres Haars in seine Lunge zu saugen.
»Ich weiß.« Er ließ ihren Zopf sinken und trat noch dichter hinter sie. Seine Anwesenheit war regelrecht überwältigend. Übermächtig. Sie konnte sein Verlangen spüren, sie in den Armen zu halten.
Trotzdem tat er nichts.
Alexion biss die Zähne zusammen und malte sich aus, wie es sich anfühlen würde, sie an sich zu ziehen. Die Arme von hinten um sie zu schlingen und ihre Brüste mit den Händen zu umfassen. Es wäre so einfach, sie unter den Gummizug ihrer Flanellhose zu schieben … mit den Fingern durch das
Weitere Kostenlose Bücher