Wächterin der Träume
gestülpt aus dem Transporter kommt.
Es sah jedoch nicht so aus, als käme ich leicht in den Tempel der Ama hinein, aus welchen Gründen auch immer. Ich fand mich im Traumreich unmittelbar vor den Palasttoren wieder. Die Tore aus Horn und Elfenbein schimmerten im Mondlicht. Es geht die Sage, wahre Träume würden durch das Tor aus Horn und falsche durch das aus Elfenbein treten. Ob es stimmt, weiß ich nicht, jedenfalls öffneten sich mir jedes Mal bei meiner Ankunft beide Tore.
In dieser Nacht jedoch wartete eine Kutsche vor den Toren.
Zumindest hielt ich es für eine Kutsche. Es war ein großes, kugelförmiges Gefährt, das aussah, als wäre es mit glatten Schuppen aus Purpur, Silber und Grün bedeckt. Gezogen wurde es von zwei kräftigen zinngrauen Greifen mit Flügelspitzen aus Elfenbein. Sie waren, wie es schien, mit viel zu schwachen silbernen Ketten an das Vehikel geschirrt.
Die ebenfalls runde Tür der Kutsche öffnete sich, und ein Tritt mit zwei Stufen klappte heraus. Das Kutscheninnere leuchtete sanft im Licht opalisierender Wandleuchter. Ich konnte hellgraue Wände und Sitze mit dicken violetten Polstern erkennen. Wenn ich es mir nicht schon gedacht hätte, dann hätte ich jetzt gewusst, dass das Gefährt von Hadria kam.
Wenn sie meine Anwesenheit gespürt und mir so rasch ein Fahrzeug geschickt hatte, war sie verdammt gut.
Ich zögerte für einen Augenblick – ein kleiner Teil von mir mochte Hadria noch nicht völlig vertrauen. Wer wollte mir das verdenken? Die Geschöpfe dieser Welt hatten schließlich nichts getan, um mein Vertrauen zu verdienen. Aber mir blieb wohl keine andere Wahl. Es würde großen Einfluss auf den Rat haben, welche Meinung Hadria von mir hatte, und ich konnte ihre Unterstützung gut gebrauchen.
Ich kletterte also in die schuppenbedeckte glänzende Kugel und ließ mich auf dem gepolsterten Sitz nieder. Er war so bequem, wie er aussah. Die Greifen warteten, bis sich die Tür mit einem Klicken schloss und das Licht im Inneren schwächer wurde, bevor sie anzogen.
Ich lehnte mich in die Kissen zurück und blickte durch die runden Fenster auf die Lichter des Palasts, die rasch hinter uns zurückblieben. Die Greifen wurden immer schneller, und bald rasten sie die glatte gepflasterte Straße entlang. Plötzlich gab es einen Ruck, und ich wurde in die Polster gepresst. Die Kutsche erhob sich in die Lüfte. Die Greifen flogen!
Ach du Schreck.
Ich befand mich in der Luft, in einer großen glänzenden Kugel, die nur durch hauchdünne Ketten mit den Zugtieren verbunden war. Eigentlich hätte ich mich fürchten müssen, und das tat ich auch für einen Augenblick – bis ich aus dem Fenster blickte.
Der Palast und seine Umgebung unter mir sahen aus wie Disney World entsprungen – sie funkelten wundervoll in dem Meer aus Dunkelheit. Ringsumher erstreckte sich das übrige Königreich. Ich erblickte die Lichter weit entfernter Fürstentümer, von denen einige meinen Onkeln gehörten, und kleiner Dörfer und Städtchen. So hatte ich das Reich noch nie gesehen und war verblüfft, wie schön es war. Ich muss gestehen, ein wenig ging mir bei dem Anblick das Herz auf.
Meine Heimat.
Die Greifen beschrieben eine Kurve nach rechts, wo sich mir ebenfalls ein spektakulärer Blick bot. Nur zu bald kamen die Lichter näher, und die Dunkelheit hob sich ein wenig, da sich mein fliegendes Gefährt der Erde näherte.
Ein leichter Stoß – die Kutsche hatte aufgesetzt und stand gleich darauf still. Sobald sich die Tür öffnete, kletterte ich hinaus.
Ich stand auf einem Berg, auf einem breiten Felsvorsprung, der über eine nahezu senkrechte Felswand hinausragte. Ich vermochte weder eine Straße noch einen Weg zu erkennen, der zu diesem Ort führte, doch es gab zumindest genug Platz für die Greifen, die Kutsche und mich. Offensichtlich kamen nicht viele Besucher zum Tempel.
Was den Tempel selbst betraf, konnte ich nur vemuten, dass er sich in der Höhle hinter mir befand, deren weite Öffnung im dunklen, verwitterten Fels einladend wirkte. Tief in die Wände getriebene eiserne Wandleuchter mit Fackeln darin erhellten den abschüssigen Pfad, der in die Höhle führte.
Ich ging hinein. Den leicht geneigten Boden hatten im Laufe von Tausenden von Jahren zahllose Füße blank poliert. Immer tiefer drang ich in den Berg vor, bis ich plötzlich aus seinem Inneren Musik vernahm.
An den Felswänden funkelten im Fackelschein kleine Kristalle wie blaue, weiße und rosafarbene Pünktchen. Ich ging
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