Wächterin der Träume
hoffte ich das, auch wenn es viel verlangt war. Es wäre bestimmt sehr verlockend für ihn gewesen, das Gesetz in die eigenen Hände zu nehmen.
Ich versuche nicht, Entschuldigungen für mich oder Noah zu finden. Der Wunsch nach Rache liegt in der menschlichen Natur – Auge um Auge. Ich möchte gar nicht sagen, wozu ich Lust hätte, wenn jemandem, der mir nahesteht, etwas Ähnliches wie Amanda zugestoßen wäre. Dann könnte mich nicht einmal die Erinnerung an Jackey Jenkins bremsen.
Ich wollte die Sache also auf meine eigene Art und Weise angehen. Das war ziemlich heuchlerisch, ich weiß, aber ich ging lieber selbst ein Risiko ein, als Noah in Gefahr zu bringen. Was ich plante, hatte die Polizei nicht zu interessieren, und wenn ich mich in Acht nahm, würde nicht einmal die Oberste Wächterin etwas zu meckern haben. Das nahm ich zumindest an.
Da es die einzige Möglichkeit war, Noah an diesem Tag zu sehen, hatte ich ihn auf seinem täglichen Besuch bei Amanda begleitet. Nun hockte ich also auf ihrem Sofa und betrachtete sie. Sie saß links von mir in einem Sessel. Während ich meinen Blick nicht von ihrem Kopfverband wenden konnte, dachte ich, wie richtig es war, dass ich bisher nichts gesagt hatte. Mein Plan war für alle Beteiligten gut und ganz gewiss sicherer als alles andere.
Noah wollte den Abend über bei Amanda bleiben, da ich ein paar Mädels zu mir eingeladen hatte. Sie sei nicht gern allein, hatte er gesagt, und ihm machte es nichts aus, ihr Gesellschaft zu leisten. Ich gab mir große Mühe, es ihm nicht übelzunehmen. Aber es war doch nicht ganz einfach, ihn so ungezwungen in ihrer Wohnung sitzen zu sehen – als gehörte er dorthin.
Daher beschloss ich nach einer halben Stunde, aufzubrechen. Ich musste nach Hause, duschen und mich fertigmachen, bevor meine Freundinnen eintrudelten.
Ich sagte Amanda auf Wiedersehen, dann brachte Noah mich zur Tür. Dort hielt er mich kurz zurück, indem er eine Hand gegen den Türrahmen stützte. Er stand mit dem Rücken zu seiner Exfrau, so dass sie nichts von unserem Gespräch mitbekam.
Sein schwarzes T-Shirt schmiegte sich an seinen Oberkörper. Trotz Noahs lockerer Haltung wirkte sein Arm neben meinem Gesicht straff und gespannt. Sein Körper bestand nur aus Muskeln, ohne ein Gramm Fett. Im Vergleich zu ihm bin ganz schön moppelig, aber solange ihm meine Kurven gefallen, störe ich mich nicht daran und lasse mich dadurch auch nicht verunsichern.
Er roch gut und sah noch besser aus. Sein leichter Bartschatten verlieh ihm ein etwas herbes Aussehen. Sein breiter Mund war belustigt verzogen, und die dunklen Augen funkelten. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass er sich ständig über mich amüsierte – oder vielleicht auch darüber, wie ich ihn anschmachtete.
»Wirst du heute Nacht in meinen Träumen sein?«, fragte er mit tiefer, rauher Stimme.
Gänsehaut.
Überall.
Ärger und Eifersucht ade. »Willst du das denn?«
»Ich will dich, Doc.« Er neigte sich zu mir, bis ich seinen heißen Atem auf der Wange spürte. »Sehr sogar.«
Ich war hin und weg – im wahrsten Sinne des Wortes. Aber ich war auch neugierig. »Wie ist das mit deinem Traumsex?«
Er zog eine Augenbraue hoch, und seine Onyxaugen funkelten noch stärker. »Im Traum kann ich mit dir machen, was ich will. Ich könnte zum Beispiel eine Ewigkeit in dir bleiben.«
O Gott. Wenn man es so betrachtete … Ich schluckte, weil meine Kehle plötzlich wie ausgedörrt war. »Du bringst mich noch um«, flüsterte ich. Meine Stimme war so heiser, dass ich mich anhörte wie die amerikanische Entertainerin Joan Rivers.
Mit einem liebevollen Lächeln ließ Noah seinen Blick über mein Gesicht wandern. »Komisch. Mir scheint, du rettest mich.«
O Mann, ich war dabei, mich unsterblich in diesen Typen zu verknallen. Halt, wem wollte ich eigentlich etwas vormachen? Ich hatte mich schon so sehr in ihn verknallt, dass es mich wunderte, wieso ich keine blauen Flecken bekam.
»Was ist? Keine Widerworte?«, neckte er mich freundlich.
Grinsend schüttelte ich den Kopf. »Nö.«
Er kam noch ein wenig näher, und seine Lippen streiften zart wie Schmetterlingsflügel über meinen Mund. Es reichte, um mich erbeben zu lassen, aber nicht, um mein Verlangen nach ihm zu stillen.
»Ich bring Dawn kurz raus, Mandy«, sagte er über die Schulter gewandt, während er sich aufrichtete. Endlich konnte ich die Tür öffnen. Ich brauchte nämlich frische Luft.
Ich rief Amanda noch einen Gruß zu und ging mit Noah die
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