Wächterin der Träume
ob Noah für dieses plötzliche Selbstvertrauen verantwortlich war oder ob es daran lag, dass ich mir meiner Doppelnatur bewusst geworden war.
Ich umarmte Julie zur Begrüßung, dann setzten wir uns und suchten uns aus den verschiedenen Speisekarten etwas zu essen aus. Wir entschieden uns für Chinesisch – Juhu! –, und ich gab die umfangreiche Bestellung auf, während die beiden anderen die DVDs wählten, die wir uns ansehen wollten. Heute Abend wollte ich mir keine Sorgen wegen der Obersten Wächterin oder meiner Rolle als Weltenzerstörerin machen.
Ich hatte Lust auf
Devour – der schwarze Pfad,
aber meine Freundinnen waren dagegen. »Der Film ist schrecklich!«, jaulte Julie.
»Aber Jensen Ackles spielt mit.« Ich deutete auf das unglaublich attraktive Gesicht auf dem Cover. »Wir lieben doch Jensen.«
Julie verdrehte die Augen, worauf ich den Film seufzend beiseitelegte. Also würde ich ihn mir – noch einmal – allein ansehen müssen.
Lola schlug
French Kiss
mit Meg Ryan und Kevin Kline vor, was Julie und ich mit großem Beifall begrüßten. Ich wusste, was geschehen würde. Wir würden uns den Film anschauen, an vielen Stellen die Dialoge mitsprechen und uns am Ende in Kline verliebt haben. Für den Rest des Abends würden wir uns dann in einem schlecht imitierten französischen Akzent unterhalten.
Waren wir eigentlich bescheuert oder was?
Als zweiten Film des Abends suchte Julie
Helden aus der zweiten Reihe
aus. Eine gute Wahl. Nicht nur, dass Keanu darin so stark wie selten war, außerdem spielte auch noch Rhys Ifans mit, der meiner Meinung nach absolut hinreißend ist, obwohl er sich alle Mühe gibt, es nicht zu sein.
Das Essen kam in der ersten halben Stunde von
French Kiss,
noch bevor KK seinen Charme voll aufgedreht hatte. Wir labten uns an frittierten Wontons, Hühnchen
General Tao, Lo mein
mit Schweinefleisch und Knoblauchgemüse. Und zum Nachtisch – Lindt-Schokolade. Als wäre das noch nicht schlimm genug, schoben wir ein paar Cocktails nach.
Als der Abend zu Ende ging, war ich pappsatt und halb besäuselt. Ich fühlte mich großartig. Lola und ich setzten Julie in ein Taxi und sahen ihr vom Fenster aus nach. Ich schätze, wir stellten uns genauso schlimm an wie Noah bei mir – aber ich war auch nüchtern gewesen, Julie dagegen abgefüllt.
Es machte nichts, dass ich einen Schwips hatte, denn der würde im Traumreich verschwunden sein. Alkohol hatte dort keine Wirkung, wie ich beim Weintrinken mit Hadria festgestellt hatte. Ich wollte auf dieses angenehme Gefühl nur ungern verzichten, aber ich musste zumindest versuchen, den Vergewaltiger zu schnappen, und sei es auch nur, weil ich dazu in der Lage war.
Na gut, ich war gerade beschickert genug, um es zuzugeben: Je eher dieser Mistkerl hinter Gittern saß, desto eher hatte die Sache mit Amanda Ruhe, und Noah und ich konnten uns auf unsere Beziehung konzentrieren, ohne dass einer von uns die Welt oder zumindest ein Stück davon zu retten versuchte.
Es war beschlossene Sache. Zunächst wollte ich nach Noah sehen und dann auf die Suche nach Durdan gehen.
Ich machte mich bereit und ließ mein umnebeltes Hirn sich immer weiter von dieser Welt entfernen. Ich tat es auf die herkömmliche Art – so war das Risiko geringer, dass ich mich noch weiter »in die Scheiße ritt«, wie Noah es so schön ausgedrückt hatte.
Der Schlaf ließ nicht lange auf sich warten. Ich wurde immer besser darin, einzuschlafen, wann immer ich es wollte, auch wenn ich bisweilen schlaflose Nächte hatte wie jeder andere auch. Glücklicherweise konnte ich dann eine Pforte zum Traumreich öffnen und auf diese Weise Körper und Geist regenerieren.
Da Noah mich erwartete, ließ ich meinen Geist zu ihm wandern. Wir hatten das schon ein paarmal gemacht, daher öffnete er mir mühelos seine Träume. Er hatte den Schauplatz schon vorbereitet und erwartete mich in einer Traumversion seines Bettes – größer, mit Bettwäsche so weich wie Butter.
In meinem knappen Tanktop und einem Boy-cut-Höschen kletterte ich zu ihm ins Bett und kuschelte mich sogleich in seine warmen Arme. Er fühlte sich gut an! Da er ein großartiger luzider Träumer war, war es für ihn so real wie für mich. Beinahe.
Er drückte mich. »Wie war euer Mädelsabend? Habt ihr ordentlich getankt und euch dann in Unterwäsche eine Kissenschlacht geliefert?«
Bei der Vorstellung musste ich lachen. »Nein, aber rumgeknutscht haben wir.«
Jetzt lachte er. »Habt ihr Fotos gemacht?«
Ich
Weitere Kostenlose Bücher