Wächterin der Träume
Phil gegeben hatte! Das stimmte wahrscheinlich auch, doch irgendwoher musste sie einen anderen Anhänger bekommen haben.
Als ich Paderas eingebildete Visage nicht mehr sehen konnte, wendete ich mich wieder Morpheus zu. »Wie viele gibt es davon?«
Mein Vater zuckte die Schultern. »Vielleicht ein Dutzend.«
»Hast du jemals einem Sterblichen einen gegeben?«
Er überlegte mit gerunzelter Stirn. »Deine Mutter hat einen. Und du auch.«
»Es ist wahrscheinlich ihrer, den sie da in der Hand hält«, ertönte Paderas affektierte Stimme erneut.
Ich funkelte sie böse an. Mein Vater warf ihr kaum einen Blick zu, doch sein Ton verriet seine Gefühle. »Wenn du dich nicht beherrschen kannst, Padera, wirst du diese Verhandlung verlassen.«
Die Oberste Wächterin lief knallrot an, gab jedoch nicht klein bei. »Ihr könnt mich nicht mehr beiseiteschieben, wie damals, als ich noch ein Kind war, Mylord. Als Nachtmahr untersteht Eure kostbare Tochter meiner Rechtsprechung.«
Morpheus wurde ganz starr. Seine langen Finger schlossen sich so fest um den zerbrochenen Anhänger, dass die Fingerknöchel weiß wurden. »Und als mein Kind und meine Untertanin unterstehst du
meiner
Rechtsprechung. Vielleicht kann ich dich nicht zwingen zu gehen, aber ich kann dafür sorgen, dass du keinen Mund mehr zum Reden hast.«
Ich vermochte mir kaum das Grinsen zu verkneifen. Beinahe hätte ich mit dem Finger auf sie gezeigt und »Ätschi-bätschi!« gerufen. Aber seltsamerweise tat sie mir auch ein wenig leid. Ihre Worte hatten viel über ihre Gefühle verraten, und plötzlich sah ich in ihr nicht nur jemanden, der mich hasste, sondern verstand, dass sie mich hasste, weil unser Vater mich liebte und sie, wie sie glaubte, nicht.
Padera erbleichte, hielt jedoch wohlweislich den Mund. Ich zweifelte nicht daran, dass Morpheus seine Drohung wahr machen würde.
Mein Vater erhob sich und wandte sich mit den Worten: »Wir machen jetzt eine Pause« an den Rat. »Ich muss in Erfahrung bringen, wie der Sterbliche an mein Amulett gekommen ist«, setzte er hinzu.
Ich warf einen Blick auf Phil, der noch immer nicht bei sich war. »Kriegst du ihn wieder hin?«, fragte ich. Von mir aus konnte er zwar verrotten, dennoch hatte ich leichte Gewissensbisse, weil er durch meine Schuld zum Gemüse geworden war.
Morpheus zuckte die Achseln. »Das kommt auf den Schaden an, der ihm zugefügt wurde.«
Da hatten wir den Salat.
Die Oberste Wächterin war nicht erfreut über die Unterbrechung, doch sie sagte nur: »Was ist mit der Prinzessin?« Selbst diese wenigen Worte trieften vor Verachtung.
Ich kniff die Augen zusammen. »Bist du nicht im Grunde auch eine Prinzessin?«
Ihre leuchtend roten Lippen öffneten sich, zweifellos zu einer weiteren ätzenden Bemerkung, doch Morpheus kam ihr zuvor. »Dawn bleibt im Palast, bis die Verhandlung weitergeht.«
Ach ja?
»Wie wollt Ihr dafür sorgen, dass sie hierbleibt?«, fragte ein Mitglied des Rates. »In dieser Welt ist sie sehr mächtig, und niemand kann ihr in die Welt der Sterblichen folgen.«
Die Züge meines Vaters wurden so hart, wie ich es nie zuvor gesehen hatte. »Wenn sie jetzt geht, wird sie ausgelöscht, sobald sie auch nur einen Fuß wieder in dieses Reich setzt.«
Mir blieb der Mund offen stehen. Hatte er wirklich gerade angedroht, er würde mich auslöschen? So ein Mistkerl! Ich konnte zwar nach Hause gehen, doch sobald ich das nächste Mal einschlief, war es vorbei. Na, toll.
»Wie könnte ich mich bei solchen Aussichten vom Acker machen?« Ob das ironisch gemeint war? Darauf können Sie wetten. Und außerdem war ich absolut genervt. Es musste schlecht für Morpheus aussehen, wenn er auf diese Art mein Leben aufs Spiel setzte.
»Mr Clarke kann bei dir bleiben.«
In der ganzen Aufregung hatte ich Noah völlig vergessen. Und ebenso Verek, der missbilligend grunzte. Noah trat näher zu mir. Falls er mit der Entscheidung meines Vaters nicht einverstanden war, ließ er es sich zumindest nicht anmerken. Wäre die Situation umgekehrt gewesen, dann wäre ich bestimmt auch lieber bei ihm geblieben, als in die »wirkliche« Welt zurückzukehren und mir Sorgen zu machen.
Morpheus warf einen kurzen Blick auf Verek. »Begleite sie in ihr Zimmer.«
Als er davonging, wollte ich ihm nachlaufen. Zum ersten Mal hatte ich wirklich Angst.
»Morpheus?« Er ging weiter. Mir klopfte das Herz bis zum Hals. »Dad?«
Das brachte ihn dazu, innezuhalten. Als er sich umdrehte, spiegelten sich so viele verschiedene
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