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Wächterin der Träume

Wächterin der Träume

Titel: Wächterin der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Smith
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mir blieb nichts anderes übrig, als mich von Verek ans Ende des hallenartigen Raumes führen zu lassen, wo mein Vater und die anderen warteten.
    »Und sie hat auch noch einen Träumenden mitgebracht!«, ertönte Paderas schrille, triumphierende Stimme. Sie wandte sich an den Rat. »Seht ihr? Sie bringt mit voller Absicht Sterbliche in unser Reich.«
    »Im Grunde bin ich aus eigenem Entschluss hier«, meldete sich Noah, bevor ich etwas sagen konnte.
    Die Oberste Wächterin erstarrte, drehte langsam den Kopf und starrte Noah mit kaltem Blick an. »Wie bitte?«
    Als Noah vortrat, drückte ich seine Hand. Er erwiderte den Druck. »Ich befand mich in meinem eigenen Traum, als ich spürte, dass Dawn in Schwierigkeiten steckte. Ich weiß nicht, ob sie mich in ihren Traum hineinzog oder ob ich selbst hineinging. Jedenfalls kam ich dazu, als sie mit einem überführten Vergewaltiger kämpfte.« Er deutete auf mein Gesicht. »Sie sehen selbst, was er ihr angetan hat.«
    Mit roten Wangen wies Padera auf eine Stelle hinter unserem Rücken. »Was wir deutlich sehen können, ist, was sie mit
ihm
gemacht hat.«
    Ich weiß nicht, warum ich mich überhaupt umdrehte, obwohl ich mir gut vorstellen konnte, was hinter mir vorging. Zwei große Nachtmahre schleppten Phil förmlich in die Halle. Der Vergewaltiger wirkte bleich und abwesend, und vorn an seiner Hose hatte sich ein großer, feuchter Fleck gebildet. Wenn man sich im Traum bepinkelt, ist man dann nass, wenn man aufwacht?
    Dass ich mir diese Frage stellte – wenn auch nur im Stillen –, zeigt, wie unwirklich die ganze Szene war.
    In der Menge entstand Gemurmel, als sie Phil nach vorn brachten. Die Blicke, die man mir zuwarf, trafen mich wie Dolche. Wenn das so weiterging, würden sie mich gar nicht erst anhören, sondern mich sofort lynchen.
    »Es war Notwehr«, sprudelte ich hervor. Obwohl es mir schwerfiel, blickte ich zu meinem Vater hinüber und sah Mitleid, Scham und Schmerz in seinem Gesicht. »Mein Leben war in Gefahr.«
    »Und das soll der Rat dir glauben?«, höhnte die Oberste Wächterin. »Du kannst in diesem Reich doch nicht sterben!«
    Ich drehte mich zu ihr um und erwiderte beherrscht: »Aber ich kann vergewaltigt werden, nicht wahr?« Indem ich ihrem Blick standhielt, gab ich ihr zu verstehen, dass ich wusste, welche Rolle sie bei diesem Angriff gespielt hatte. Sie verlagerte ihr Gewicht ein wenig, blickte aber nicht fort.
    »Es ist unmöglich«, beharrte sie. »Kein Sterblicher würde in
deinen
Traum eindringen und dir etwas tun. Sterbliche können so etwas nicht.«
    Weiteres Gemurmel. Einige Mitglieder des Rates nickten zustimmend. Ich hätte ihre hohlen Schädel gegeneinanderknallen können.
    »Aus diesem Grund musst du in seinen Traum eingedrungen sein und ihn angegriffen haben«, fuhr meine Halbschwester fort.
    Ich presste die Zähne zusammen. »Er hat mich überfallen.«
    Sie lächelte nur.
    »Dawn«, meldete sich mein Vater zu Wort. »Gibt es irgendwelche Beweise für deine Theorie?«
    Meine
Theorie
? Glaubte mir etwa mein eigener Vater nicht? So ein Mist!
    Ich langte in meine Jeanstasche, zog den zerbrochenen Anhänger heraus, den ich Phil abgenommen hatte, und reichte ihn meinem Vater. »Er trug das hier um den Hals.«
    Die Bruchstücke aus Holz fielen in Morpheus’ offene Hand. Ich bemerkte, wie seine Miene nacheinander Erstaunen, Wiedererkennen und aufwallenden Zorn zeigte. »Tatsächlich?« Als er mich ansah, waren seine Augen blasser und spinnenartiger als zuvor. »Das hast du ihm abgenommen?«
    Ich nickte und widerstand dem Impuls, vor ihm zurückzuweichen. Hadria hatte ihm – beruhigend, wie ich hoffte – die Hand auf den Arm gelegt. »Ich dachte, du weißt vielleicht, was es ist«, sagte ich.
    »Das weiß ich auch.« Seine Nasenflügel bebten, weil er tief Luft holte. »Diese Amulette schenke ich denjenigen, die mir etwas bedeuten. Sie enthalten etwas von meiner Essenz und sollen vor Unheil schützen.«
    »Das ist doch lächerlich!«, unterbrach Padera ihn. Dann wandte sie sich an den Rat. »Das Amulett gehört wahrscheinlich ihr selbst.«
    »Nein«, entgegnete ich. »Aber da du es gerade erwähnst, wo ist eigentlich deins, Schwesterchen? Du besitzt doch eins, oder?«
    Errötend zog sie eine dünne Halskette aus dem Ausschnitt ihrer ärmellosen Bluse. Daran hing ein ebensolcher hölzerner Anhänger wie der, den ich zerbrochen hatte.
    Verdammt. Ich hatte wirklich gehofft, ihrer wäre nicht da. Ich war mir so sicher gewesen, dass sie ihn

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