Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)
modernere Sprachen als gedacht. Also zumindest beherrsche ich ein sehr gutes Automatenfranzösisch.
Wurstbrote per Mail
Vor kurzem ist zum ersten Mal in meinem Leben ein Text von mir aus Jugendschutzgründen von einem Radiosender zunächst zensiert und dann gar nicht ausgestrahlt worden. Ich war gleichermaßen stolz wie irritiert. Es ging um die Facebookaffäre der besten deutschen Hochspringerin.
Ein sogenannter Fan hatte ihr ein Foto von sich geschickt. Per Mail. Damit sie mal einen Eindruck von ihm hat. Es war allerdings kein Gesamteindruck, sondern er hat nur einen sehr privaten Körperteil von sich fotografiert. Und den in voller Erregung. Warum, weiß wohl nur er. Vielleicht weil ihm ein Foto vom Gesicht zu intim gewesen wäre oder weil er gerade kein anderes Bild zur Hand hatte oder aus Schüchternheit oder was weiß denn ich. Menschen sind komisch, und das ist offensichtlich ein besonders komischer.
Ich hatte in meinem Text diesen Körperteil mit dem normalen lateinischen Begriff bezeichnet. Das wurde vom Sender als zu heikel eingestuft. Ich habe daraufhin vorgeschlagen, den Körperteil anders zu benennen. Ihm einen Vornamen zu geben oder einen Tiernamen. Das hätte es allerdings in der Tat nicht besser gemacht. Ob man von seinem Karl-Heinz, seinem Hans-Otto, seinem Fiffi oder meinetwegen auch von seinem Wellensittich spricht – es bleibt schlüpfrig. Es hätte schon ein Begriff sein müssen, der richtig weit weg von allem Körperlichen ist. Wurstbrot zum Beispiel. Das wäre gegangen. «Er hat ihr also ein Foto von seinem erigierten Wurstbrot geschickt.» Das klingt unverfänglich.
Die Leichtathletin jedenfalls war von Foto und Mail angewidert und genervt, und da dieser Fan einfach keine Ruhe gab, hat sie irgendwann den vollen Namen und den Wohnort vom Wurstbrotbesitzer auf ihrer Facebookseite veröffentlicht. Es folgte eine große öffentliche Diskussion. Verletzt das die Persönlichkeitsrechte vom Wurstbrot? Was, wenn Name und Adresse falsch sind? Oder jemand anders genauso heißt und in derselben Stadt wohnt? Oder jemand das Wurstbrot verwechselt? Für viele sieht ja ein erigiertes Wurstbrot aus wie jedes andere. Und was ist mit eventuellen Arschlöchern, die denken, sie hätten nun das moralische Recht, jemand anderen zu verprügeln? Weil der es verdient hat. Die gibt’s ja auch, Drecksäcke, die sowieso gern mal wen verprügeln und nur darauf warten, dass ihnen einer gezeigt wird, bei dem sie dürfen, quasi zu Recht. So richtige Blödmänner eben, die dann auch schnell erscheinen. Denn Faustregel: Wo mal ein erigiertes Wurstbrot ist, ist eine geistige Klappstulle meistens nicht weit!
Doch das sollte gar nicht mein Thema sein. Was man wann wie und wo veröffentlichen darf oder nicht, ist tatsächlich eine heikle, ernsthafte gesellschaftliche Frage, die ich nicht mit Hilfe einer Wurstbrotmetapher diskutieren möchte.
Womöglich war es auch ein Versehen. Vielleicht wollte er eigentlich ein Foto vom Gesicht machen und dann: rums!, verwechselt. Passiert ja schnell. So viele Fotos, wie sie jeder mittlerweile mit dem Handy macht. Vielleicht ist das auch Teil des Problems, dass viel zu schnell viel zu viele Fotos gemacht werden. So ein Selbstporträt im unteren Bereich ist mit dem Handy heute kein Aufwand. Wenn man sich dagegen überlegt, was das früher für eine Mühe verursacht hätte. Allein schon die Vorbereitungen. Schließlich soll es ja auch einen guten Eindruck machen. Das Wurstbrot sozusagen gut dastehen. Das bedeutet Ausleuchten, Weißabgleich, die richtige Perspektive, der Hintergrund und und und …
Zudem muss bei diesen ganzen Tätigkeiten der zu Fotografierende bei Laune gehalten werden. In Form bleiben, für den ist das doch Stress. Dann hat man vielleicht gar nicht beide Hände frei. Eigentlich hätte man so ein Foto, wenn’s gut hätte werden sollen, früher überhaupt nicht alleine machen können. Da hätte man jemanden fragen müssen. Schon schwierig. Solche Freunde hat nicht jeder.
Oder man hätte doch alles allein gemacht, mit Selbstauslöser: hinrennen, Selbstauslöser drücken, dann schnell wieder zurückrennen, in Position bringen, lächeln, also quasi, und so weiter und so fort. Mal angenommen, das alles hätte geklappt, dann hätten die Bilder ja noch entwickelt werden müssen. Wenn nun beim Abholen die Angestellte im Fotoladen gefragt hätte, ob man sich die Abzüge vorsichtshalber hier schon einmal anschauen wolle, um auszuwählen, dann hätte man «Nein!» gebrüllt. Und
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