Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)
kostet fünf Euro. Ich bin wahrlich niemand, der sich wegen jeder Kleinigkeit beschwert, will jetzt auch nicht klugscheißen, aber ich finde, Dinge, die umsonst sind, sollten weniger als fünf Euro kosten.
Wobei, im Prinzip ist das Frühstück schon umsonst, also irgendwie: Genaugenommen zahlt man fünf Euro und erhält dafür einen Gutschein, für den man später an der Kasse die fünf Euro zurückbekommt, wenn man für mindestens zwanzig Euro Produkte eines großen französischen Lebensmittelkonzerns eingekauft hat. «Es ist ganz einfach» steht über den Erklärungstafeln, wogegen nichts zu sagen ist, da man das Prinzip ja im Groben auch aus anderen Lebensbereichen kennt: Man bekommt die gesamten fünf Euro erstattet, sofern man bereit ist, zwanzig Euro zu zahlen. In Deutschland wurde dieses Verfahren bekannt mit dem Satz: «Die Rettung der Banken kostet den Steuerzahler keinen Cent.»
Meine zweite Erkenntnis über das Einkaufen der Zukunft lautet somit: Es wird vieles umsonst geben, sofern man es dann später auch kauft, also wenn man es gekauft und bezahlt hat, wird es umsonst gewesen sein.
Am Ausgang des Supermarkts der Zukunft gibt es natürlich Selbstservice-Kassen. Ganz kurz zum Begriff Selbstservice: Für mich ergibt schon allein das Wort keinen Sinn. Entweder es gibt Service, oder man macht es eben selbst. Selbstservice ist, wenn man darüber nachdenkt, entweder Quatsch oder unanständig. Beides möchte ich weder in meinem Text noch an einer Supermarktkasse haben.
Hier bedeutet Selbstservice natürlich, dass man die gekauften Waren selbst einscannt und mit Karte bezahlt. Alles ganz allein. Nur eine Andere-Mensch-Servicekraft schaut zu und hilft, wenn es Probleme gibt. Und es gibt sehr viele Probleme, praktisch immer.
Natürlich dauert diese Art des Bezahlens ungefähr zwanzigmal so lange, als wenn eine versierte Kassenkraft die Waren übers Band gezogen und gescannt hätte. Wer schon einmal hinter einem Kunden gestanden hat, der ungefähr reale zwei Minuten, also gefühlte drei Stunden im Portemonnaie nach passenden Münzen gesucht hat, kann sich in etwa vorstellen, was es bedeutet, wenn diese Person plötzlich ihren gesamten Einkauf selbst einscannen muss. Die Wartezeit geht in die Jahrzehnte.
Außerdem will ich gar nicht immer alles selbst machen müssen. Ich muss schon allein zum Supermarkt gehen und auch allein wieder zurück. Das reicht mir vollkommen an Selbstgemachtem.
Gibt es in Zukunft nur noch Automaten und Wachmänner, die die Automaten und uns beim Selbstmachen überwachen? Werden wir irgendwann alle Wachmänner werden, weil es gar keine anderen Berufe mehr gibt?
Das Zukunftsforschungsinstitut von Matthias Horx in Kelkheim behauptet, bald, also in zwanzig oder dreißig Jahren, werde man sich alles einfach so nehmen können. Also sämtliche Lebensmittel, alle Waren und Produkte nimmt man aus frei zugänglichen Regalen. Man scannt sie nur mit dem Daumen, eine Software erkennt und registriert automatisch, und dann wird der entsprechende Betrag direkt vom Konto abgebucht. Sollte dies wirklich so kommen, wird es vermutlich eine große Daumenkriminalität geben. Auch ist nicht klar, was passiert, wenn das Konto leer ist. Wird dann der Daumen gesperrt? Bekommt man eine eiserne Daumenmanschette? Erkennt man in Zukunft arme Menschen an ihren Daumen? Oder an ihren acht Fingern? Oder reiche Menschen an ihren vier Daumen?
Ganz zum Schluss, kurz vor dem Ausgang, entdecke ich aber doch noch ein Gerät, das mich vorbehaltlos begeistert. Ein Getränkeautomat mit Sprachfunktion. Man wirft Geld ein, spricht seinen Getränkewunsch in ein Mikro, und dann gibt einem der Automat sofort das gewünschte Getränk. Bestelle einen «Café noir double, sans sucre», also einen doppelten schwarzen Kaffee ohne Zucker. Der Automat sagt: «Pardon, je ne comprends pas, réessayez, s’il vous plaît», also «’tschuldigung, hab nicht verstanden, versuchen Sie es bitte noch einmal». Das wiederholt sich viermal, bis ich husten muss. Daraufhin gibt mir der Automat einen Cappuccino.
Viele Stammkunden kommen nun angerannt. Seit Wochen, erzählen sie, würden sie schon versuchen, hier einen Cappuccino zu bestellen. Noch nie sei es gelungen, aber ich hätte es geschafft, ich hätte die Gabe, ob ich vielleicht … Huste noch zwölf weitere Cappuccino für andere Kunden. Im Anschluss räuspere ich einer jungen Dame einen grünen Tee, und einem Rentner wiehere ich eine Gemüsebrühe.
Denke: Guck, ich spreche doch mehr und
Weitere Kostenlose Bücher