Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)
am Flughafen wurden noch Bestellungen aufgegeben. Schweizer Schokolade, eine Riesenflasche Parfüm («Obsession») und Westfälischer Schinken.
Wir haben alles brav besorgt und mitgenommen. Aber am Flughafen in Madrid störte mich die Extratüte mit der Parfümflasche, weshalb ich sie, nachdem wir unser Gepäck vom Laufband gehoben hatten, einfach noch oben mit in meinen Koffer hineinstopfte. Übrigens ist dies ein sehr schöner Koffer. Ein sogenannter Vier-Roller, eben mit vier Rädern, der quasi von alleine fährt. Man muss ihn nur vorsichtig anstupsen und «Huii!», fährt der praktisch wie von selbst durch Bahnhöfe und Flughäfen. Großartig.
Nun hat der Flughafen von Madrid allerdings ja so ein ganz leichtes Gefälle. Wirklich ganz leicht nur. Zu Fuß würde man das gar nicht merken. Aber der Koffer hat es sofort gemerkt. War direkt völlig aufgeregt, ständig am Ruckeln und Ziehen, bis ich irgendwann dachte: Ach, was soll’s, es war ein langer Flug, lass ihn laufen, ihn sich einfach ein bisschen austoben! Und er ist dann auch sofort los. Zisch!!! So schnell, und er hat sich gedreht und ist gesaust und hatte Spaß. Reine Lebensfreude! Wo ich auch ein wenig stolz war. Also dachte: Guck mal an, der Schnellste von allen, das ist meiner! Mein Koffer! Wie der da durchpest, der findet seinen Weg, so spielerisch, rasant, ein echter Wildfang, der – Treppen dann allerdings doch nicht kann. Also gar nicht. War ihm selbst aber wohl vorher auch nicht klar, weil probiert hat er es. Ohne Erfolg jedoch. Schon an der ersten Stufe ist er gescheitert. Sogar einigermaßen spektakulär gescheitert. Hat trotzdem nicht aufgegeben, weshalb ich nicht unbeeindruckt zur Freundin sagte: «Guck, der probiert die zweite Stufe auch noch.» Ist aber erneut gescheitert. Genaugenommen ist er sogar Stufe für Stufe durchgescheitert, bis nach ganz unten.
Und dennoch, wie durch ein Wunder ist nichts passiert. Weder dem Koffer noch sonst irgendwem oder irgendwas. Dachte ich. So lange, bis ich einige Zeit später den Koffer geöffnet und gesehen habe: Die Parfümflasche muss doch sehr unglücklich auf eine Stufe geschlagen sein, was somit – das war nicht so schön. Alle, wirklich alle meine Sachen rochen jetzt höchst intensiv nach «Obsession». Ein Umstand, der in der Tat recht prägend für unseren gesamten Madrid-Urlaub werden sollte. Oft musste ich bei Geschäften draußen bleiben, weil die Familie auch mal einen Laden betreten wollte, ohne direkt angestarrt zu werden.
Nach zwei Tagen sind wir dann meistens von vornherein getrennt losgegangen. Was allerdings nicht schlimm war. So habe ich unter anderem alleine in einem kleinen Gemüseladen eingekauft. Das war toll. Die asiatische Verkäuferin hat die ganze Zeit gelacht.
Eigentlich hatte ich nur ein paar Äpfel und Milch kaufen wollen, aber weil die Frau jedes Mal, wenn ich auf etwas gezeigt und «este» gesagt habe, so herzlich und mitreißend lachte, habe ich dann noch Birnen, Pfirsiche, Apfelsaft, Gurken, Nüsse, Horchata, Butter, Käse, Orangen und Möhren gekauft. Nur weil ich ihr Lachen so mochte. Die Möhren habe ich am Ende alle einzeln gekauft. Zwölf Möhren. Jede einzeln, und bei jeder hat sie gelacht.
Als ich am nächsten Tag wiederkam, hat sie mich sofort erkannt, sagte: «Ah, Mr. Obsession!», und dann habe ich erneut Birnen, Äpfel und einzelne Möhren gekauft. Und jedes Mal hat sie gelacht. Das fand ich eigentlich mein allerschönstes Erlebnis in Madrid.
Habe das dann später in Berlin auch mal versucht. Also am Gemüsestand zwölf Möhren nacheinander zu kaufen. Um zu gucken, ob die Verkäuferin auch jedes Mal lacht. Das war interessant. Denn möglicherweise ist dies tatsächlich einer der großen Unterschiede zwischen Berlin und Madrid: die Reaktion von Verkäuferinnen, wenn man zwölf Möhren nacheinander, also einzeln kauft.
Schon der Anfang, wenn man in Berlin an den Stand getreten ist und gesagt hat: «Guten Tag, ich hätte gern eine Möhre», ist kein guter Anfang. Obwohl ein gewisses Interesse bei der Frau nicht zu leugnen war.
«Eine Möhre? Na, hamm Se sich das auch gut überlegt? Ob Se wirklich ’ne ganze Möhre brauchen? Wollen Se nicht erst mal vielleicht ’ne halbe Möhre? Und dann gucken, wie Se da so mit klarkommen? Mit Ihrem neuen Leben als Möhrenbesitzer?»
Als ich dann, nachdem sie mir irgendwann doch, wenngleich etwas widerwillig, die eine Möhre abgewogen und abgepackt hatte, nachsetzte: «So, und dann hätte ich jetzt gern noch eine zweite
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