Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)
höflich sein? Sie sind König! Wer will denn Schleimer-König? In Bulgarien sagen wir: ‹Wer immer pünktlich ist, auf den wartet keiner.› Das ist cooles Sprichwort.»
«Noch mal, du denkst wirklich, Angela Merkels Unbeliebtheit bei anderen Völkern geht auf unsere Sprichwörter zurück?»
«Nicht nur, aber so was macht misstrauisch. Also wenn sich einer wünscht, dass ihm Tauben aufs Dach machen. Das stört Vertrauensverhältnis. Da solltest du politisches Kabarett drüber machen.»
«Über Angela Merkel und den Wunsch, dass ihr Tauben aufs Dach …, also quasi?»
«In Bulgarien solches Kabarett wäre sehr erfolgreich. Ich gebe dir noch ein Tipp. Wenn du weißt, dein Zahnarzt hat Vorlieben in Richtung.»
«Was?»
«Na, in Richtung!»
«In Richtung Angela Merkel?»
«Nein, in andere Richtung.»
«Was ist denn die andere Richtung von Angela Merkel?»
«Vergiss doch mal Angela Merkel. Dein Zahnarzt hat Vorlieben wie in ‹Shades of Grey›. Den Erotikbestseller.»
«Du liest ‹Shades of Grey›?»
«Nicht ich, aber meine Mutter.»
Die Mutter winkt wieder fröhlich.
«Auf Bulgarisch?»
«Was sonst? Ist übersetzt in alle Sprachen. Das sind richtig erfolgreiche Bücher! Warum sind deine Bücher nicht übersetzt auf Bulgarisch?»
«Ökonomische Zensur.»
«Was?»
«Ist egal.»
«Gut. Dein Zahnarzt hat also so Vorlieben in Richtung ‹Shades of Grey› und noch mehr, du weißt schon. Und dann er arbeitet an deine Zähne, und du weißt, was er hat gemacht kürzlich mit seine Hände. Also ungefähr. Würde dich nicht stören?»
«Äh, kann ich jetzt nicht einfach mein Gemüse haben?»
«Wenn du nicht einbaust Angela Merkel und SM -Erotik in deine Texte, wirst du nie großen Erfolg mit politischen Kabarett haben.»
Denke, dass er auf eine verquere Weise sogar recht haben könnte. Ich mag meinen Gemüsehändler. Auch wenn man hier Obst und Gemüse nicht einfach so kaufen darf, sondern es sich in strengen Gesprächen verdienen muss. Allerdings wäre ich mittlerweile wirklich froh, wenn er jetzt mal endlich meine Tüte loslassen würde. Er hat aber noch eine Erkenntnis für mich: «Die Menschen sind komisch, weißt du?»
«Allerdings.»
«Kennst du Sprichwort: Dümmste Bauer hat dickste Kartoffeln?»
«Natürlich.»
«Das ist gutes Sprichwort. Aber weißt du, wie ein Kunde guckt, wenn ich ihm rate: ‹Nimm lieber kleines Kartoffel, dann wirkst du bisschen schlauer›?»
Ich stutze.
«Hast du das etwa alles nur erzählt, damit ich noch welche von deinen kleinen Kartoffeln kaufe?»
Zufrieden lässt er meine Tüte los, grinst und dreht sich zur Seite.
«Willst du ein oder zwei Kilo?»
Nehme drei. Auch um zu beweisen, dass sich die Begegnung und Auseinandersetzung mit anderen Kulturen immer lohnt. Mit ihren Sprichwörtern, Vorlieben, Handelsstrategien und überhaupt allem. Man staunt mehr, als man meint.
Das Konzept Berge
Eines der faszinierendsten Landschaftsmodelle, mit denen man als gebürtiger Niedersachse unterwegs so konfrontiert wird, ist natürlich dieses gesamte Konzept Berge. Sehr seltsame Sache das. Insbesondere die Untergruppe «Hohe Berge» mitsamt der Special-Interest-Kategorie «Richtig Hohe Berge». Die «Richtig Hohen Berge» richten sich nicht an ein Massenpublikum, sondern sind auch innerhalb der Gruppe der routinierten Bergbenutzer eher so eine Art Fetisch. Und genau so fühlt es sich an, wenn man unbeabsichtigt in diese «Richtig Hohen Berge» gerät. Als wäre man unversehens in eine Art gigantisches Freiluft- SM -Studio gestolpert. Was schnell passiert ist, denn tatsächlich wird in diesen Bergen erstaunlich viel gestolpert, gerade von Niedersachsen oder Berlinern.
Auch von der Ausrüstung her gibt es klare Parallelen zum SM -Studio. Seile, Ketten, spitze Stöcke, sinnloses Geraffel und Wanderpeitschen ergänzen die bunte Funktionskleidung, unzählige lose baumelnde Schnüre und Kordeln laden zu neckischen Fesselspielchen ein, und sei es nur, weil sie sich im Lift verfangen, wodurch Adrenalinspiegel und Blutdruck der an dieser Kleidung dranhängenden Bergbenutzer in ungeahnte Höhen getrieben werden. Manch Rucksack oder Allwetterjacke, die herrenlos im Liftsessel verheddert über den Berg gerumpelt wird, erinnert an unvergessliche Momente großer Panik, in denen sich jemand mit knallrotem Kopf und schreckgeweiteten Augen gerade noch rechtzeitig aus den festhängenden Kleidungsstücken befreien konnte, bevor er sonst unweigerlich wieder den gelangweilten Berg
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