Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)
mal so einen Eindruck hat.
Das Stadtgebiet von Berlin ist etwa zehnmal so groß wie das Stadtgebiet von Lissabon. Würde man jetzt allerdings das gebirgige Lissabon mit einem riesigen Nudelholz ganz, ganz flach ausrollen, dann wäre es dadurch ungefähr so groß wie Berlin, plus ungefähr die Hälfte von Brandenburg. Man kann sich also Lissabon im Prinzip vorstellen wie ein zusammengeschobenes Berlin, in das zusätzlich noch eine ordentliche Menge Brandenburg mit hineingeraten ist.
Dadurch hat Lissabon beides zugleich, landschaftliche Schönheit und Großstadtleben. Wer beispielsweise mal so einen richtigen Wanderurlaub machen möchte, mit allem Drum und Dran, nur eben ohne Natur, Tiere, gute Luft und diesen ganzen Kram, dafür aber mit Café und Bäckerei an jeder Kreuzung, für den bietet sich Lissabon an. Zudem hat man wirklich viel schöne Aussicht.
So wie von dem Kiosk mit Hanglage aus, in der Straße, in der wir in Lissabon wohnen. Der Mann vom Laden spricht deutsch. Er erzählt, er habe lange in Ludwigshafen gelebt und gearbeitet. Als Elektriker. Aber zurück in Portugal, hat er doch lieber diesen Kiosk eröffnet. Er meint, wer einmal in Deutschland als Elektriker gearbeitet habe, der sei für die alten Häuser und Leitungen in Lissabon für immer verdorben. Man stehe das nervlich nicht mehr durch. Er lacht. Frage ihn, warum er nach Portugal zurückgekehrt sei. Er schaut, als hätte ich gefragt, ob er schon einmal versucht habe, hier am Berghang den Bürgersteig hinunterzupinkeln. Andere versuchen das wohl immer wieder. Er aber macht mit leicht entrücktem Gesicht eine große, ausladende Handbewegung über das Lissabon-Panorama, das sich von seinem Kiosk aus darbietet, und entgegnet: «Kennen Sie Ludwigshafen?»
Ich entschuldige mich für meine Frage. Dann lacht er wieder, ruft: «War Witz, war Witz!», Ludwigshafen sei wunderbar, Deutschland sei wunderbar, aber als seine jüngste Tochter zum Studieren aus dem Haus sei, habe er eben beschlossen, nicht länger als Elektriker in Ludwigshafen zu bleiben. Das letzte Drittel seines Lebens wolle er lieber damit verbringen zu
erzählen
, dass er mal Elektriker in Ludwigshafen gewesen sei. Und dafür sei dieser Kiosk natürlich perfekt, weil so viele Touristen fragen würden, warum er denn so gut Deutsch könne. Als ob das so eine besondere Leistung sei, sagt er lachend, viele der deutschen Touristen hier könnten auch ziemlich gut Deutsch.
Am frühen Abend, in der noch weiter oben am Berg gelegenen Pizzeria, meint der Inhaber, er werde uns heute persönlich bedienen. Die Kellner habe er zur großen Demo gegen die rigiden EU -Sparbeschlüsse geschickt. Aber wir sollten uns keine Sorgen machen. Er und eigentlich alle, die er kenne, würden die Deutschen trotz allem noch mögen. Also außer Frau Merkel vielleicht. Dann lacht er und erzählt uns, er sei früher zur See gefahren. Auch viel auf deutschen Schiffen, mit denen er häufig in deutschen Häfen gewesen sei. Eine schöne Zeit. Die Pizzeria habe er nur, um davon erzählen zu können, wie er früher zur See gefahren sei. Meine Freundin wird mir später berichten, den Franzosen drei Tische weiter habe er gesagt, er sei viel auf französischen Schiffen in französischen Häfen gewesen.
Ich bestelle eine Pizza Alemanha, also eine Pizza Deutschland, weil mich interessiert, was da wohl drauf ist. Also was für ein Pizza-Image Deutschland in Portugal hat. Muss an ein Interview vor einigen Jahren mit dem Chef des Tourismusverbandes von Hawaii auf der ITB denken, der großen Berliner Tourismusmesse. Wie deprimiert der war, als er zum ersten Mal in Deutschland eine Pizza Hawaii bestellt hat. Wie er mehrfach gesagt hat, das werde Hawaii einfach nicht gerecht, Schinken und Ananas mit ganz dick Käse drauf … Überhaupt nicht werde das Hawaii gerecht. Wie er dann fast geweint hat und am Ende des Interviews auch noch gerufen: «Außerdem haben wir jede Menge Bier auf Hawaii!» Das hat mich damals wirklich berührt.
Der Mann von der Pizzeria erklärt: «Dass Portugal eine Seefahrernation wurde, ist ja nur logisch. Gerade von Lissabon aus betrachtet. Wenn man ständig so viele Berge und Treppen hinauflaufen muss wie wir hier in Lissabon, hat man natürlich irgendwann keine Lust mehr. Also sind wir zur See gefahren, Wasser hat keine Treppen. Während die Spanier wegen des Goldes losgefahren sind und die Engländer, um Kolonien zu gründen, sind wir Lissabonner eigentlich nur unterwegs, um mal ein paar Wochen keine Treppen
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