Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)
laufen zu müssen.» – Und natürlich, um später davon erzählen zu können.
Dann kommt meine Pizza Alemanha, und ich würde gern mit dem Tourismuschef von Hawaii tauschen. Relativ gesehen, ist Ananas mit ganz dick Käse gar nicht mal so schlecht. Meine Pizza ist belegt mit Wurst. Aber nicht mit Wurstscheiben, sprich Salami oder Plockwurst, nein, es liegen zwei komplette Grillwürste auf der Pizza, dazu sehr viele Kartoffeln und etwas, was ich zunächst für Artischockenherzen halte, was sich jedoch beim Probieren als eine Art Rosenkohl herausstellt. Schaue auf die Pizza und stelle fest: «So schön ist Deutschland!»
Denke: Die Portugiesen sagen zwar die ganze Zeit, dass sie die Deutschen mögen und unser Land ganz toll finden. Aber mit der Pizza Alemanha kommt die Wahrheit auf den Tisch, ihre wirkliche, ehrliche Meinung. Pizzamund tut Wahrheit kund. Aber andererseits: Hat die Pizza nicht auch recht? Früher wollte Deutschland gerne ein unbarmherziges, zähes Stück Fleisch sein, heute wäre es gerne eine leichtfüßige, fein komponierte, intelligente Cremespeise oder zumindest eine raffinierte Kaffeespezialität. Doch Deutschland ist und bleibt nun mal Wurst, Kartoffeln und Kohl. Beschließe, mich damit abzufinden und meine Pizza zu akzeptieren. Es wird die nationale Identität gegessen, die auf den Tisch kommt. So bin ich erzogen.
Stelle dann aber zu meiner großen Überraschung fest: Deutschland schmeckt hervorragend, nein wirklich, sehr, sehr gut! Bratwurst, Kartoffeln und Rosenkohl, eine der besten Pizzen, die ich jemals gegessen habe. Also zumindest in Portugal. Stimmt es also doch, dass man erst reisen muss, um das eigene Land zu begreifen und schätzen zu lernen.
Die Pizza Portugal der Freundin war übrigens belegt mit Grillfleisch und Bratkartoffeln. Auch sehr gut, könnte man zu Hause ohne weiteres als Pizza Neukölln oder Pizza Moabit anbieten.
Auch wenn die Portugiesen ansonsten ein bisschen zu fett und fischlastig kochen, sind sie grundsätzlich sehr sympathisch. Alles im Grunde nur deshalb zu machen, um später davon erzählen zu können, gehört als Sinn des Lebens zum Einleuchtendsten, was mir bislang präsentiert wurde. Die Welt entdecken, nur weil man zu faul ist, Treppen zu steigen – daraus könnte man eine ganze Weltanschauung basteln. Eine nicht aggressive, gemütliche und trotzdem neugierige, lebensfrohe Weltanschauung. Eine, die auch mir gefallen würde.
Tauben auf dem Dach
Der Gemüsehändler in unserer Straße ist Bulgare. Dagegen ist natürlich nichts zu sagen. Das Problem ist nur, vor einiger Zeit hat er herausgefunden, was ich mache, und es mir auch direkt mitgeteilt: «Habe dich gesehen in Fernsehen. In Komiksendung mit politische Witze.»
Ich nicke, traue mich aber nicht zu fragen, wie es ihm gefallen hat. Er sagt es mir von sich aus: «Bin eingeschlafen. Aber Mutter hat gesagt, war sehr lustig.»
Seine Mutter, die mit im Laden steht, winkt und lacht. Winke zurück. Freue mich über das Kompliment, wenngleich der Wermutstropfen bleibt, dass die Mutter, soweit ich weiß, bis heute kein einziges Wort Deutsch versteht oder spricht. Dafür der Sohn.
«Ist gut, was du machst in Fernsehen. Ich sage immer: Hauptsache, man hat überhaupt Arbeit.»
Ich nicke und lächle stoisch. Er wirkt zufrieden mit mir. Aber als ich meine Tüte mit dem Gemüse nehmen will, greift er sie plötzlich, hält sie fest, schaut mir tief in die Augen und sagt: «Kennst du das Sprichwort ‹Lieber Spatz in Hand als Taube auf Dach›?»
«Äh, natürlich.»
«Weißt du, was es bedeutet?»
«Klar, das heißt so viel wie, man soll sich lieber freuen über das, was man hat, als Wunschträumen nachzuhängen, die womöglich immer nur Träume bleiben, sprich kaum erreichbar sind.»
«Genau. Und das ist Blödsinn!»
«Was?»
«Was ist denn das für ein dummer Wunschtraum? Taube auf Dach. Die würde doch alles vollkacken.»
«Deshalb ja auch lieber den Spatz in der Hand.»
«Ja, aber nur weil man Angst hat, die Taube fliegt weg. Nicht wegen Kacken.»
«Na, das ist doch nur eine Metapher.»
«Ist schlechte Metapher. Wie können europäische Völker Führung anerkennen von Volk, was sich in seine Sprichwörter wünscht, dass ihnen das Dach vollgekackt wird? Deshalb Frau Merkel ist so unbeliebt bei andere Völker.»
«Wegen unserer Sprichwörter?»
«Allerdings. Nimm anderes Beispiel, kennst du: ‹Pünktlichkeit ist Höflichkeit von Könige›?»
«Klar …»
«Was soll das? Warum sollen Könige
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