Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)

Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)

Titel: Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Evers
Vom Netzwerk:
erste Wurf geht komplett an den Elchen vorbei. Peinlich. Der Wikinger guckt mich müde an, sagt: «Bestanden.»
    Weise darauf hin, dass ich noch zwei Bälle habe.
    Er schüttelt den Kopf. «Ist egal, Sie haben bestanden!»
    Die zweite Aufgabe sind Wissensfragen über die Wikinger, im Multiple-Choice-Verfahren. Für die erste Frage: «Wie heißt der Herkunftsort der Wikinger?» gibt es als Antwortmöglichkeit: a) Skandinavien, b) Afrika und c) Wyk auf Föhr. Weil ich aus einem tragischen Zwang heraus noch origineller sein möchte, antworte ich: «Reinickendorf. Die Lösung ist Reinickendorf.» Er sagt «Richtig», und wir gehen über zu Frage zwei: «Was ist das Getränk der Wikinger?» Meine Vermutung «Bubble Tea» wird zu meiner großen Überraschung genauso als richtig bewertet wie mein Lösungsvorschlag für die letzte Frage: «Wie hießen die Schiffe der Wikinger?» – «Marianne und Michael.» Offensichtlich weiß ich doch mehr über die Wikinger, als ich selbst angenommen habe.
    Jetzt fehlt nur noch eine Aufgabe, und schon erhalte ich meine Abschlussurkunde als echter Wikinger. Das wäre mein größter Ausbildungserfolg seit dem Taxischein, also seit über zwanzig Jahren. Ich bin entsprechend motiviert.
    Ich muss in einem Parcours circa anderthalb Meter hohe Wackelfiguren abwechselnd mit einem Holzschwert umhauen und mit einem fröhlichen Wikinger-Helm umstoßen, den ich auf den Kopf bekomme. Alles in einem lustigen, dicken, schweren Wikinger-Fell, das man mir zusätzlich übergeworfen hat. Nicht einfach, zumal der Weg vereist ist. Fast so, als wäre absichtlich Wasser drübergeschüttet worden. Gehe vorsichtig zu den Figuren, stupse ein bisschen mit dem Holzschwert dagegen und will mir dann die Urkunde abholen. Der Mann sagt: «Durchgefallen. Zu langsam.»
    Ich verstehe nicht direkt. «Wie? Heißt das, ich kriege jetzt keine Urkunde?»
    «Nee, Sie waren zu langsam. Wollen Sie noch mal?»
    Denke, ich werde hier nicht ohne Wikinger-Urkunde weggehen. Im zweiten Versuch rutsche ich zwar drei-, viermal aus, bin aber ansonsten wirklich zügig unterwegs. Der Mann schüttelt den Kopf: «Durchgefallen. Die Figuren müssen wenigstens dreißig Grad gekippt sein.»
    Ich trete noch mal an. Mittlerweile sammelt sich erstes Publikum. Beim dritten Versuch falle ich durch, weil ich beim Schlagen «Hejo!» hätte rufen müssen, beim vierten, weil ich öfter als dreimal gestürzt bin. Beim siebten oder achten Anlauf hat sich schon eine richtig große Menschenmenge um den Parcours gebildet. Sie feuern mich an. Ich schwitze wie in einer echten Wikinger-Sauna, renne und schlage sinnlos auf die Kippfiguren. Doch erst beim zwölften oder fünfzehnten Durchgang sagt der Mann plötzlich: «Bestanden! Glückwunsch!»
    Alle freuen sich, klatschen und ziehen dann weiter über den Wikinger-Markt.
    Während ich das Kostüm ausziehe und die Urkunde bekomme, meint mein Prüfer: «Wissen Sie, es ist echt nicht leicht, Leute zu diesem Scheiß-Wikinger-Markt zu locken. Es braucht immer jemanden, der sich für diese dritte Aufgabe qualifiziert und dann in diesem albernen Wikinger-Kostüm wie ein Idiot versucht, die Wackel-Wikinger zu treffen. Erst das lockt die Leute an. Wenn sich einer so richtig zum Lappen macht. Im Prinzip funktioniert das ähnlich wie bei ‹Deutschland sucht den Superdings›, nur halt mit Wikingern und noch popliger. Aber als ich Sie gesehen habe, wusste ich gleich, Sie sind mein Mann.»
    Denke: Na und? Dafür habe ich jetzt eine Wikinger-Urkunde. Endlich mal eine wirklich abgeschlossene Ausbildung. Und die ist sehr viel ehrlicher erworben als mancher Doktortitel.

Die Glückstrinker vom Marheinekeplatz

    Am Marheinekeplatz in Kreuzberg, vor den Wasserbrunnen, sitzt eine Gruppe alteingesessener, routinierter Alltagstrinker. Sie haben ein großes, schmuckvolles Plakat dabei, auf dem in sieben verschiedenen Sprachen – also auf Englisch, Französisch, Spanisch, Japanisch, Russisch, Chinesisch und Deutsch – geschrieben steht: «Traditionelle Altberliner Trinker in landesüblicher Tracht. Pflegen hier altes Berliner Brauchtum: das öffentliche Trinken. Ehrwürdige Überlieferungen besagen, diesen Traditionstrinkern ein Getränk auszugeben bringe Glück.» Die Überschrift des Plakats lautet: «Die Glückstrinker vom Marheinekeplatz.»
    Einer der Trinker erzählt mir, seit sie dieses Plakat hätten, kämen sie mit dem Trinken oft gar nicht mehr nach. Dermaßen viel bekämen sie ausgegeben. Er habe schon kistenweise volle

Weitere Kostenlose Bücher