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Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)

Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)

Titel: Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Evers
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ist. Also nicht in dem Maße wie bei eigenen Kindern. Man rein pädagogisch daher auch mal ein bisschen Freiraum hat. Nicht immer nur das Wohl der Gesellschaft und der Eltern im Blick haben muss.
    Man kann darüber streiten, ob es erzieherisch zwingend notwendig ist, den Kindern beispielsweise das Abfüllen von Mayonnaise in leere Shampooflaschen beizubringen. Aber wer würde sie denn sonst solche Dinge lehren? Dafür hat man doch Freunde. Die Zwillinge sind in jedem Fall mit bemerkenswerter Geschicklichkeit, Intelligenz und Eigeninitiative bei der Sache. Besser, ich bilde sie aus als jemand, der nur Unsinn im Kopf hat.
    Zudem muss ich zugeben, dass ich kürzlich beim Frühstück in ein Croissant gebissen habe, das die beiden mir am Abend zuvor mitgegeben hatten, und mir die scharfe Tabascosauce, die sie da wohl irgendwie reingespritzt haben, fast die Zunge weggeätzt hätte. Da war ich doch, bei allem Rotz und allen Tränen, die mir übers Gesicht liefen, schon auch ziemlich stolz auf die beiden Racker. Die Macht ist stark in ihnen. Bald schon werde ich ihnen vermutlich nichts mehr beibringen können.

Was würde Dschingis Khan tun?
    Frank und Martin sind umgezogen. In eine schicke Wohnung in Spandau. Ins Hochparterre eines Hauses mit einem riesigen Garten im Innenhof, den sie natürlich mitbenutzen können. Das finden Frank und Martin super. Noch mehr als sie freut sich über diesen Innenhof allerdings ihr Kater. Für den ist Spandau und das neue Areal die Sensation überhaupt.
    Nur einen Haken gibt es. Zur Hausgemeinschaft, die eigentlich irrsinnig nett ist und Frank und Martin bereits mit offenen Armen aufgenommen hat, zu dieser Hausgemeinschaft gehören auch einige Katzen, die mit Freude frei im Innenhof laufen gelassen werden. Deshalb ist es leider Bedingung, dass Franks und Martins Kater kastriert wird, bevor er in diesen Innenhof darf. Das ist für Dschingis Khan natürlich sehr bitter.
    Hätten Frank und Martin geahnt, dass sie ihren Kater mal kastrieren lassen müssen, hätten sie ihn vielleicht nicht ausgerechnet Dschingis Khan genannt. Doch das ist wohl nur ein Aspekt der Probleme, die sich nun für sie ergeben.
    Mein Verhältnis zu Dschingis Khan ist ohnehin ein angespanntes. Als er vor ungefähr vier Jahren ganz neu bei Frank und Martin war und die beiden Bedenken hatten, ihn allein in der Wohnung zu lassen, hatte ich mich für einen Abend bereit erklärt, auf das Tier aufzupassen. Nur fünf Minuten nachdem meine Freunde zum Theater aufgebrochen waren, hat Dschingis Khan irgendwie einen wertvollen Füllfederhalter vom Schreibtisch über den Balkon im dritten Stock bis runter auf den Bürgersteig gefegt. Dann hat das Tier seelenruhig beobachtet, wie ich ins Treppenhaus geeilt bin und mir vor der Wohnungstür meine Schuhe angezogen habe, um den Füller zu holen. Bis heute bin ich der Überzeugung, dass der Kater gegrinst hat, als er die Tür zustieß. Mit innen steckendem Schlüssel.
    Obwohl ich höchstens zehn Minuten später mit Hilfe des Nachbarn und seines Werkzeugs die Tür aufbrechen konnte, hatte Dschingis Khan schon die Zeit für einen blutigen, erbarmungslosen, alles zerstörenden Eroberungszug durch die Wohnung genutzt. Frank und Martin haben natürlich mir die Schuld gegeben, das arme Tier hingegen getröstet und bedauert. Bis heute plagt sie ein schlechtes Gewissen gegenüber dem Kater, weil sie ihn mit mir alleine gelassen haben. Dschingis Khan nutzt dieses schlechte Gewissen weidlich aus. Er führt wahrlich das grausame, egozentrische Regiment eines Kater-Soziopathen.
    Deshalb habe ich es seither auch vermieden, Frank und Martin, vor allem aber Dschingis Khan zu besuchen, und meine beiden Freunde nur noch bei mir oder auf neutralem Boden getroffen. Doch vor einiger Zeit hat nun ein Katzenpsychologe eine Art Trauma bei mir festgestellt, quasi eine willkürliche Katzenantipathie. Ich würde, sagte er, ungeklärte, offene Konflikte mit Katzen in mir tragen, die ich erst lösen müsste, bevor ich meinen inneren Frieden fände. Also habe ich nun doch eine Einladung der Freunde in die neue Spandauer Wohnung angenommen. Zumal Frank und Martin auch noch meinten, es gebe eine gute Gelegenheit, mein Versagen bei Dschingis Khan wiedergutzumachen.

    Nachdem die beiden mich empfangen haben, führen sie mich kurz durch die Räume. Im wunderschönen, sonnigen Wintergarten sehe ich den Kater breit ausgestreckt liegen und dösen. Um ihn nicht zu stören, setzen wir uns in die dunkle kleine Küche.
    Sage:

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