Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)
bei wem auch immer plant: In Spandau würde ich das nicht machen lassen.
Der Beistellsalat
«Ach, ihr immer mit eurer blöden Umwelt!»
Ich habe Olaf selten so schwermütig erlebt. Seit jeher ist er ein astreiner Anarchist. Als ich nach dem Abitur Richtung Berlin gezogen bin, hat Olaf Hannover gewählt. Mit der absolut ernst gemeinten Begründung, in Berlin gebe es schon genug Anarchos, in Hannover werde er dringender gebraucht. Was ja auch nicht ganz von der Hand zu weisen war. Von der Besetzung des Sprengel-Geländes bis zum Anti-Expo-Protest: Olaf war immer mittenmang.
Anarchist ist er natürlich auch heute noch, also grundsätzlich. Für größere Aktionen oder um sich jeden Abend die Lampen wegzuschießen, fehlt ihm jedoch mittlerweile einfach die Zeit. Denn vor rund zwölf Jahren, als er bei irgendeinem Punkkonzert draußen stand und fror, hatte Olaf plötzlich wie aus dem Nichts seine ganz große Idee. Zumindest für die damalige Zeit: «Heizpilze! Mobile, verleihbare Heizpilze!»
Er hat das dann mit unerwarteter Konsequenz durchgezogen. Komplett alleine. Ohne Banken, ohne Kredite, ohne das ganze Schweinesystem, wie er bis heute nicht müde wird zu betonen. Ein geliehener Lkw, Freunde wurden angepumpt, die Rechnungen bei Kunden stellte er einfach per Quittungsblock aus. Selbst unter streng anarchistischen Gesichtspunkten war praktisch nichts daran zu beanstanden, wie er seinen Betrieb aufbaute.
Heute hat Olaf zwölf Angestellte. «Alle werden ordentlich bezahlt. Mit Sozialversicherung und allem Drum und Dran: Erfolgsbeteiligung und Mitbestimmung. Richtige Jobs, kein Minilohnmist!», wie Olaf es ausdrückt. Soweit ich das beurteilen kann, muss sich wohl tatsächlich niemand in seiner Firma totschuften. Also außer Olaf natürlich, aber der hat ja Spaß daran. Der macht das erstaunlicherweise gerne. Er ist wirklich genauso konsequent Kleinunternehmer, wie er früher Punk war. Was er macht, macht er richtig. Im Sommer verleiht seine Firma zusätzlich mobile Klimaanlagen und Softeismaschinen. Familie hat er keine, dafür aber sehr viele Freunde. Ein bisschen was von den Gewinnen fließt nach wie vor in linke Initiativen. Alles lief super. Bis der Klimawandel Olafs Frieden störte. Deshalb sitzt er jetzt mit mir in diesem Hähnchenimbiss und schimpft: «Ihr immer mit eurer blöden Umwelt!»
Der Imbiss «Das verrückte Huhn» ist laut Olaf übrigens der beste Hähnchengrill in ganz Hannover. Als ich von meinem alten Freund, der ja immerhin Chef einer professionell geführten Firma ist, zum, wie er es nannte, «Lunch» eingeladen wurde, gingen meine Erwartungen nicht gerade in Richtung Stehimbiss und halbes Hähnchen. Nichtsdestotrotz gibt Olaf den perfekten Gastgeber: «Kannst ruhig auch einen Krautsalat dazunehmen. Ist alles in der Einladung inklusive. Ich nehme auch einen. Früher hab ich den Kartoffelsalat mit Speck dazugenommen, aber ich will meine Fleischesserei ein bisschen reduzieren. Und außerdem ist Krautsalat ja wohl gesünder.»
Vom Imbisswirt erfahre ich, dass Olaf schon immer, also seit über zehn Jahren, in diesem Imbiss nur zwei halbe Hähnchen isst und den Salat nie anrührt. Aber seit er statt des Kartoffelsalats mit Speck meistens einen Krautsalat oder auch mal frischen grünen Salat unangetastet stehen lässt, hat er wohl irgendwie das Gefühl, er würde sich gesünder ernähren.
Das erklärt auch, warum mich der Wirt bei der Bestellung fragt, ob mein Salat zum Mitessen sei. In der Tat bin ich das noch nie gefragt worden. Ob ich einen Salat zum Mitessen oder nur zum Danebenstellen möchte. Eigentlich gar nicht dumm, dafür zwei getrennte Salate anzubieten. Auf dem Schild vor dem Imbiss wird zu Recht mit «ehrliche Küche» geworben.
Olaf schaut mich aus seinen Hähnchenhälften heraus traurig an: «Horst, du musst mir helfen! Diese Klimawandeldiskussion macht mir meine Firma kaputt. Wenn sich das Image von Heizpilzen nicht bald wieder verbessert, muss ich womöglich Leute entlassen!»
Ich schaue staunend in meinen Krautsalat. Olaf, der alte Anarcho, will von mir, dass ich ihm bei der Rettung sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze helfe. Die Welt ist bunt. Erwidere: «Olaf, das hat doch mit Image nichts zu tun. Es geht hier um die Sache. Heizpilze sind nun einmal klimatechnisch eine völlige Katastrophe.»
Jetzt wird er wütend: «Katastrophe! Katastrophe! Schlimmer Durst, und es gibt nur Beck’s – das ist eine Katastrophe! Ich brauche eine Kampagne, die Heizpilze irgendwie
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