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Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)

Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)

Titel: Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Evers
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Assistentin meint, der Hautarzt habe sehr, sehr viel zu tun, aber wir könnten vorab ein Spezialfoto vom Ausschlag machen, das dann durch die Computererkennung jagen, und nach wenigen Sekunden würde uns dieser Computer sagen, was für ein Ausschlag es ist. Ich nicke.
    Die Prozedur dauert mehrere Minuten. Es vergehen sogar mehrfach mehrere Minuten. Dann bittet mich der Hautarzt ins Behandlungszimmer. Er ist von mir und meinem Ausschlag enttäuscht, weil er vom Computer keine vernünftigen Ergebnisse bekommen hat: «Das Gerät konnte leider mit Ihrem Ausschlag nichts anfangen. Es hat keine Anhaltspunkte gefunden, woher er stammen könnte. Dafür hat der Computer erkannt, dass das, was da auf Ihrem Rücken steht, in einer alten, fast vergessenen indianischen Zeichensprache so viel heißt wie: ‹Der Winter wird hart und grausam. Sammelt Holz!› Ganz sicher ist sich der Computer aber auch nicht. Genauso gut könnte es ein Bild vom rauchenden Helmut Schmidt im Nebel sein. Mit Regen, Nieselregen vor allem.»
    Er nimmt eine Hautprobe fürs Labor, bis die ausgewertet ist, dauert es aber ein paar Tage. Solange bekomme ich schon mal eine Salbe.
    Zwei Tage später muss ich verreisen. Aus dem Helmut Schmidt auf meinem Rücken ist ein Ludwig Erhard geworden, aus dem Zigarettenrauch Zigarrendampf, und was mal ein Nieselregen war, ist jetzt ein Schneesturm vor blühenden Landschaften. Rufe beim Hautarzt an, um zu fragen, ob diese Wirkung bei der Salbe normal sei. Die Assistentin meint, der Arzt habe sehr, sehr viel zu tun. Er versuche aber zurückzurufen. Als er dies tatsächlich ein paar Stunden später tut, sitze ich bereits im Zug.
    Nachdem ich ihm alles geschildert habe, wirkt er ernsthaft besorgt, meint, er müsse das selbst sehen, ich solle das sofort fotografieren und ihm zuschicken. Erkläre, ich sei im Zug. Das Ganze befinde sich bekanntlich am Rücken. Ich könne das jetzt nicht fotografieren. Der Arzt meint, er verstehe das sehr gut, aber ich solle es trotzdem mit dem Handy fotografieren und ihm schicken.
    Gehe zur Zugtoilette, mache den Oberkörper frei und versuche, mit Hilfe des Spiegels irgendwie ein Foto von meinem Rückenausschlag zu machen. Das ist sehr schwierig, wann immer ich einigermaßen in Position bin, macht der Zug einen Schlenker und schleudert mich gegen Schüssel, Waschbecken, Klinke oder Mülleimer. Acht Versuche und mehrere blaue Flecken später schicke ich dem Arzt die Bilder. Er ruft sofort zurück, ist jetzt noch besorgter, meint, alles sei viel schlimmer als angenommen. Den Fotos nach zu urteilen, wachse mir offensichtlich ein Papiertuchspender der Deutschen Bahn direkt aus dem Rücken. Einen solchen massiven Fall von Papiertuchspenderausschlag habe er noch nicht gesehen. Dann lacht er. So wie wohl nur ein Hautarzt über Patienten mit unangenehmem Ausschlag lachen kann.
    Teile ihm mit, es gebe eine Hölle speziell für lustige Hautärzte. Dort müssten sie mit einem höchst unangenehmen Pustelpuzzle – an prekärer Körperstelle – sechshundertsechsundsechzig Jahre auf einen Termin warten, dann ebenso viele Stunden im Wartezimmer sitzen, bis dieses Furunkelgefunkel für wenige Minuten komplett verschwinde, ausgerechnet während der Behandlungszeit des Höllenhautarztes. Kurz darauf kehre das Krätzegemetzel aber noch unangenehmer und prekärer zurück, woraufhin erneut sechshundertsechsundsechzig Jahre Wartezeit anbrächen.
    Der Hautarzt meint, eine Behandlung mit besseren, würdevolleren Witzen seinerseits wäre möglich, meine Kasse zahle das aber nicht. Weniger blöde Witze wären gegen Zuzahlung möglich. Für eine Behandlung ganz ohne blöde und demütigende Witze müsse ich mich aber privat versichern. Die Fotos seien in jedem Fall völlig unbrauchbar, viel zu unscharf und verwackelt. Da könne er keine seriöse Diagnose stellen. Ich solle jemanden bitten, mal eben den Ausschlag auf dem Rücken zu fotografieren.
    Antworte: «Ich bin im Zug. Ich kann hier niemanden bitten, mal eben den Ausschlag auf meinem Rücken zu fotografieren.»
    Er sagt, er verstehe mich sehr gut, ich solle aber trotzdem jemanden bitten, den Ausschlag auf meinem Rücken zu fotografieren.
    Mache mich auf den Weg durch den Zug. Ich weiß nicht, ob schon einmal jemand Fahrgäste eines Zuges unter dem Gesichtspunkt betrachtet hat, wer von ihnen wohl bereit wäre, schnell mal einen unangenehmen Ausschlag am Rücken abzulichten. Es sind in jedem Fall nicht viele.
    Ein ungefähr dreizehnjähriger, wohl allein reisender

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