Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)
können, fragt sie, ob sie sich zur Vorbereitung Ausschnitte meines Programms auf YouTube ansehen dürfe. Überlasse ihr mein Notebook und gehe so lange auf Toilette. Als ich wiederkomme, ist die Frau wie verwandelt. Sie schaut mich versteinert, aber auch irritiert und fragend an, sagt allerdings nichts. Dann gehen wir schweigend zum Studio, und die Sendung beginnt.
In meinem Kopf rattert es. Was kann passiert sein? Ist irgendetwas auf oder in dem Computer, was sie so verstört hat? Eigentlich nicht. Doch schon bei ihrer zweiten Frage wird mir plötzlich alles klar …
Es war im Herbst des Jahres 2010 , als Frau Merkel und Herr Seehofer plötzlich die recht eigenwillige These vertraten, Multikulti sei tot. Da ich gerade mit Freunden einen kabarettistischen Jahresrückblick vorbereitete, kam mir die Idee, dieses Thema in unserer Show mit einem Medley deutscher Marschmusik aufzugreifen. Die Songs, mit den neuen Texten versehen, wurden höchst abstrus und der Jahresrückblick wie immer ein großer Spaß. Alles wäre gut gewesen, hätte ich nicht zuvor zwecks musikalischer Recherche eine Woche lang auf YouTube alle möglichen deutschen Militärmärsche gehört. Seitdem werden mir, jedes Mal, wenn ich die Seite öffne, Videos vorgeschlagen, für die ich mich interessieren könnte: «Die Waffen- SS », «Wehrmacht Erika», «Alte Kameraden» und so weiter und so fort.
Damit erklärt sich wohl auch die Frage der Moderatorin: «Und welche Musik hören Sie so?»
Nachdem wir die Aufnahme beendet haben, erkläre ich ihr alles. Sie erzählt mir, dass auf ihrem Computer – wegen ihres Neffen – immer Rammstein und Marilyn Manson auftauchen würden. Sie setzte das aber gerne gezielt ein, um Kollegen in der Kulturredaktion zu verwirren. Außerdem schaue ihre fünfjährige Enkelin jetzt auch ab und zu mit ihr Videos vom Ritter Rost, von den fiesen Pinguinen oder den pupsenden Dinosauriern. Die Schnittmenge aus Rammstein und pupsenden Dinosauriern bildeten übrigens überraschenderweise Redeausschnitte von Edmund Stoiber.
Wahrscheinlich wird es solche Nutzerprofile in Kürze schon für alle Bereiche des alltäglichen Lebens geben. Also auch bei Lebensmitteln zum Beispiel: «Kunden, denen diese Sahnetorte geschmeckt hat, könnten sich auch interessieren für Rumschokolade, frittierten Fisch oder eine andere Sahnetorte.» Rotweinflaschen mit dem Hinweis: «Wird häufig zusammen gekauft mit Aspirin-plus-C-Großpackung.» Oder auch etwas verklausulierter: «Wenn Ihnen diese Lasagne gefallen hat, interessieren Sie sich vielleicht auch für unsere Pferdekalender.»
Am Ende unseres Gesprächs haben wir sogar noch herausgefunden, warum ich plötzlich so häufig Werbung für Prothesen erhalte. Menschen, die ein großes Interesse haben an Weltkriegen und allem, was damit zusammenhängt, haben eben auch überdurchschnittlich häufig Bedarf an künstlichen Körperteilen. So gesehen ist eigentlich alles logisch. Beruhigend.
Zelten – ein Abenteuer in drei Triumphen
1 . Die gute Idee
Die Freundin meint, das Kind solle mal zelten gehen. Zu einer richtigen Kindheit gehöre das einfach dazu. Die Freunde, bei denen wir zum Essen sind, stimmen sofort mit ein. Ja genau, zelten sei für jedes Kind eine ganz wunderbare Erfahrung.
Ich sage nichts. Natürlich war ich als Kind, Jugendlicher und junger Erwachsener mehrfach zelten. Als Kind, Jugendlicher und junger Erwachsener fand ich das sogar toll. Doch heute beunruhigt mich allein schon die Vorstellung, eine Nacht auf einer Isomatte oder Luftmatratze verbringen zu müssen. Die Luftmatratzen sind in den letzten dreißig Jahren schon extrem unbequem geworden. Vermutlich, weil die Qualität der Luft wegen des Klimawandels einfach extrem nachgelassen hat.
Dennoch, als gewiefter Stratege stimme ich grundsätzlich zu: «Ich finde das eine ganz großartige Idee. Ihr geht mit allen Kindern zelten, während ich in Berlin bleibe und mich um alles kümmere, euch den Rücken freihalte, Blumen gieße und so weiter.»
Die Freunde meinen, sie hätten praktisch keine Blumen. Erkläre mich bereit, ihnen welche zu besorgen.
Die Freundin unterbricht mich. Sie findet, ich müsse unbedingt mit zelten gehen. Das sei so eine typische Vater-Kind-Sache und ganz, ganz wichtig für die spätere Entwicklung.
Erkläre: «Mein Vater ist auch niemals mit mir zelten gegangen, und ich habe mich trotzdem später entwickelt. Kinder finden ihren Weg auch so.»
Sie schüttelt den Kopf. Um das Kind mache sie sich da gar keine
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