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Wärst du doch hier

Wärst du doch hier

Titel: Wärst du doch hier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Swift
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im stockenden Verkehr war. Auf seiner ganzen Reise bisher, sogar in Portsmouth, war er nicht in einen richtigen Stau geraten. Jetzt, weniger als eine Meile vor Marleston, musste er kriechen. Was aber konnte er tun? Sollte er hupen? Aufblenden? Sie waren in Devon, wo Autos die Hecken rechts und links beinahe streiften. Lassen Sie mich durch. Lassen sie mich vorbei. Ich bin der Bruder.
    So groß war seine Panik, dass er sich später nicht mehr genau erinnern konnte, wie seine Ankunft verlaufen war   – wo er geparkt hatte, wie er zur Kirche gekommen war. Woran er sich aber erinnerte, war die Tatsache, dass er mehrmals sagen musste, um sich Durchgang zu verschaffen: »Ich bin Jack Luxton, ich bin der Bruder von Tom Luxton.« Aber starrte ihnen das nicht ins Gesicht? Wer sollte er denn sonst sein?
    Außerdem erinnerte er sich daran, dass ihm das Crown und das Kriegerdenkmal auffielen, die immer noch da waren, immer noch am selben Fleck, dass er aber keinen direktenBlick darauf werfen wollte, was auch auf die Menschen zutraf, die zwar keine Menge ausmachten, aber mit Sicherheit mehr als nur eine Handvoll waren. So etwas wie eine Arretierung im Nacken hielt seinen Blick stier auf das Tor zum Friedhof und dahinter auf den Eingang zur Kirche gerichtet, sodass er, selbst wenn er es gewollt hätte, keine bekannten Gesichter hätte erkennen und begrüßen können. Er bewegte sich durch einen Tunnel. Er kam auf den Friedhof und registrierte am Rande seines Blickfelds die Grabsteine auf den Gräbern seiner Mutter und seines Vaters, und daneben einen vorbereiteten Bereich, wo leuchtend grüner Kunstrasen über aufgehäufte Erde gebreitet war, aber er wollte nicht direkt hinsehen, falls ihn das irgendwie seiner Fähigkeit zu gehen beraubte.
    Dann kam plötzlich jemand auf ihn zu   – um ihn zu begrüßen, aber auch, so schien es, um ihn zu retten   – es war Brookes im weißen Talar, der ihn an die Soutanen der Militärpfarrer erinnerte, und bei ihm war, wie eine kleine Einheit unter seinem Kommando, eine Gruppe von Männern, darunter Derek und Dave, die den Bestattungswagen gefahren hatten (seltsam, wie gut es tat, sie zu sehen), und Ireton. Ja, Ireton, in einer schicken Uniform mit drei Streifen, Ireton, der damals das Blut seines Vaters von der Rinde der Eiche abgewaschen hatte.
    Sie alle sahen ihn an, mit den erleichterten und jetzt belebten Blicken von Männern, die, wahrscheinlich mit wachsender Besorgnis, auf nichts anderes als seine Ankunft gewartet hatten, und Jack begriff, während er doch gleichzeitig unbewusst und ohnmächtig zu treiben schien, dass er dafür zu sorgen hatte, dass die Sache in Gang kam und alles klappte und reibungslos ablief. Erhätte mit den Fingern schnipsen und Befehle erteilen können, wenn ihm danach gewesen wäre.
    Derek und Dave begrüßten ihn wie alte Freunde. Ihre Gesichter schienen auszudrücken: »Sie haben doch nicht etwa geglaubt, wir kommen nicht, oder?« Dann sagte Ireton, etwas ehrerbietig, aber schnell, als wollte er keine wertvolle Zeit verschwenden: »Ich bin deine andere Schulter, Jack, wenn du nichts dagegen hast.« Deine andere Schulter? Dann verstand Jack. Und obwohl er bisher nicht darüber nachgedacht hatte, wer diese Position einnehmen könnte, hätte er jetzt seinem Gefühl nach Iretons beide blaue Schultern mit seinen Armen umfangen können, und er fragte sich, warum er jemals gemutmaßt hatte, dass Bob   – Sergeant Ireton   – hier erscheinen könnte, um ihm Handschellen anzulegen.
    Sechs Träger, erklärte Ireton rasch: sie beide vorn, dahinter vier Männer von Babbages, einschließlich Derek und Dave in der hinteren Position. »Wenn du nicht   –«, Ireton hatte gezögert, und sein Kopf hatte in einer seltsamen Drehung zur Menge hinübergenickt (vielleicht konnte man es doch eine Menge nennen), die in diskreter Entfernung stand, gleichzeitig aber die Kirche umzingelt zu haben schien. »Wenn du nicht jemand anders haben willst? Wenn du es nicht anders machen möchtest?«
    Offenbar waren alle bereit, sich nach ihm zu richten. Er war wie ein König. Unten entlang der Kirchenmauer, an den grauen, verwitterten Steinen lehnend, hatte er Blumen gesehen. Sträuße, Kränze, in zwei, drei Reihen hintereinander.
    Nein, hatte Jack zu Ireton gesagt, so sei es gut. Die anderen zwei Männer von Babbages hatten sich vorgestellt,und er hatte ihnen die Hände geschüttelt und »danke« gesagt, dann hatte er allen anderen die Hände geschüttelt und »danke« gesagt, und

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