Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wärst du doch hier

Wärst du doch hier

Titel: Wärst du doch hier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Swift
Vom Netzwerk:
Haus und seine unmittelbare Umgebung grundlegend verändert. Sodass Jack vielleicht von dem, was er zu sehen bekommen hätte, ebenso schockiert gewesen wäre wie die Robinsons über die nachträgliche Information, die er ihnen hätte bringen können.
    Abgesehen davon wären die Robinsons auch gar nicht da gewesen. Es war Mitte November. Ihr letzter Aufenthalt, während der Herbstferien der Kinder, lag nichtlange zurück. Und da sie mit den Dorfbewohnern nur so viel zu tun hatten, wie Höflichkeit es gebot, konnte man damit rechnen, dass sie zu einem solchen Anlass nicht erscheinen würden.
    Viele der Leute in Marleston, die zu Toms Beerdigung kamen, hätten Jack das Neueste über die Veränderungen auf der Jebb Farm berichten können, falls er nicht schon von anderer Seite davon erfahren hatte. Bob Ireton und einige andere hätten ihm davon erzählen können   – wenn sich die Möglichkeit ergeben hätte. Wenn Jack nicht, kaum dass die Sache vorbei und Tom unter der Erde war, mit offensichtlicher, verzweifelter Eile fortgestürzt wäre, ohne mit jemandem zu reden. Derb und dramatisch war er, sein Abgang, so derb und dramatisch wie seine Ankunft, als er mit kreischenden Bremsen zum Halten gekommen war. (Wer ist dieser Verrückte, hatten manche gedacht, bis sie ihn erkannten.) Aber schließlich war er immer schon ein großer, derber Mann gewesen, größer noch als sein Dad (groß und derb, und doch im Allgemeinen sanftmütig wie ein Lamm), und in seinem dunklen Anzug sah er kein bisschen weniger derb aus. Er sah darin aus wie ein   … »Leibwächter« war das Wort, das einem einfiel.
    Ein verrückter, überhasteter Abgang, und eigentlich konnte man es dem armen, aufgewühlten Mann nicht vorwerfen. Es war kein gewöhnlicher Tod (auch bei seinem Vater nicht). Man konnte für solche Situationen keine Regeln aufstellen oder sagen, dass sein Davonstürzen falsch oder unverzeihlich gewesen sei, aber wäre er geblieben, hätte man ihm wenigstens erzählen können, dass das Haus der Jebb Farm zur Zeit leer stehe. Sodasssich ein kleiner Rundgang, falls er es sich aus irgendwelchen Gründen ansehen wollte   – und solange er auf die eine oder andere Überraschung gefasst war   –, sicherlich einrichten ließe.
    Natürlich war es ebenso gut möglich, dass er nicht den Wunsch hatte, das Haus je wiederzusehen.
    Wie auch immer, er war in dem großen blauen Ungetüm   – eigentlich ein Wagen, wie eher die Robinsons ihn benutzten   – einfach davongefahren, ohne sich zu verabschieden (oder vielen auch nur »Guten Tag« gesagt zu haben), und hatte dabei ausgesehen wie jemand, der sich verfolgt fühlt. Doch dann war er, das stimmte wohl (und einigen fiel auch auf, dass er nicht diesen Weg gekommen war), in die Richtung losgefahren, die ihn an der Einfahrt zur Jebb Farm vorbeiführen würde. Wie sie früher war.
     
    Ellie hatte gesagt, während der Teebecher an ihren Brüsten lehnte, dass er es tun konnte   – sie konnten es tun. Als sie sprach, wurde aus dem »er« immer wieder »sie beide«, als wären die Wörter fast dasselbe oder als wäre das, wovor er immer wieder zurückschreckte, etwas ganz anderes, sobald das »er« zu einem »sie beide« geworden war.
    Und jetzt hatte er natürlich den Brief gelesen, nachdem Ellie lange schon auf den Moment gewartet hatte, ihn Jack zu zeigen. Für Jack kam es jedoch so plötzlich, dass er sich fragte, ob der Brief echt sei oder ein Trick, und ob Ellie den Brief selbst geschrieben haben könnte. Der Brief war nicht nur ihr Fluchtweg, er war »erste Sahne« (Ellies Ausdruck). Onkel Tony bot ihnen   – von jenseits des Grabes   – nicht nur einen Rettungsplan, sonderneine ganz neue Zukunft »auf dem Tablett« (auch das Ellies Ausdruck). Sie müssten verrückt sein, das nicht anzunehmen.
    Es gab also ein Tablett mit einer Schale Sahne. Und sie saßen hier, im Bett auf der Jebb Farm, und tranken Tee.
    Wenn sie verkauften   – das war Ellies Vorschlag   –, würden sie die Schulden tilgen können und Geld übrig behalten. Vielleicht hätten sie sogar, dank Onkel Tony, ein bisschen Geld, das sie auf den Kopf hauen könnten. Oder aber   … sie konnten bleiben, wo sie waren, und ein jeder wäre der stolze und mittellose Besitzer riesiger Schuldenberge.
    Es gab noch eine dritte und keinesfalls besonders abwegige Möglichkeit (längst nicht so abwegig, nach Jacks Dafürhalten, wie die Isle of Wight), die Ellie nicht erwähnte, und die auch Jack nicht erwähnte. Hätte er sie

Weitere Kostenlose Bücher