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Wärst du doch hier

Wärst du doch hier

Titel: Wärst du doch hier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Swift
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er nie im Leben geglaubt hatte, er sei käuflich, und hatte schon da das Gefühl, er müsste ihn zum letzten Mal in sich aufnehmen. Er hätte gern gewusst, was sein Vater gedacht hatte, damals, an jenem Novembertag, als er hier raufgekommen war, sich den Anzug ausgezogen und die Medaille aus der Tasche genommen hatte   – nur um sie später in eine andere Tasche zu stecken. Als er das letzte Mal (wusste er es da schon?) den Blick bei vollem Tageslicht gesehen hatte. Die Eiche, die Blätter erleuchtet vom kalten Sonnenschein. Was war ihm da durch den Kopf gegangen?
    Einen Moment lang hatte Jack in dem warmen Sommerschlafzimmer vor Kälte gezittert.
    »Verkauf nicht die Farm als Ganzes. Verkauf das Land. Und dann das Haus   – nur das Haus. Ein Haus auf dem Lande.«
    Ein Haus auf dem Lande? Aber es war eine Farm, und er hatte das Haus nie als abtrennbar vom Rest gesehen, als etwas anderes als das Wohnhaus einer voll funktionierenden Farm.
    »Und das Herrenzimmer? Der Hof und die Scheunen?«
    »Nichts, womit ein guter Bauunternehmer, ein Architekt und ein Landschaftsgärtner nicht zurechtkommen würden.«
    Architekt? Landschaftsgärtner? Ellie hatte, vermuteteJack, wieder irgendwelche Zeitschriften gelesen, was sie, wie er wusste, gern tat.
House and Garden
,
Country Homes
. Er sah wieder den Stapel zerlesener Zeitschriften im Aufenthaltsraum des Krankenhauses von Barnstaple vor sich, wo er und Ellie   – es war kaum einen Monat her   – Jimmy besucht hatten, zum letzten Mal, wie sich herausstellte.
    Der alte Gauner saß im Bett, er produzierte sich und hielt einen Becher Krankenhaustee in den Händen. Er sah Jack an, die Augen immer noch stechend klar, und Jack wusste, dass Jimmy durch ihn hindurch zu seinem Vater blickte. Dann hatte Jimmy den Teebecher an den Mund gehoben und das Gesicht verzogen.
    »Nicht so gut wie der, den Ellie macht, Junge«, sagte er. Und zwinkerte.
    Jack, der jetzt einen Becher mit Ellies Tee in Händen hielt und im Bett saß, hatte plötzlich die seltsame Vorstellung, dass Ellie, wäre sie jemand anders, die Frau eines reichen Mannes, vielleicht selbst gern das Haus der Jebb Farm gekauft und die Renovierung durchgeführt hätte. Vielleicht hätte sie sich voller Elan und Erwartung darauf gestürzt.
    »Aber das Barton Field«, hatte sie gesagt, »muss beim Haus bleiben. Es war sowieso kein gutes Weideland, stimmt’s? Ein schöner großer Garten, eine schöne große Wiese. Verkauf es mit dem Haus, und du verdienst ein Vermögen.«
    Sie setzte ihren Teebecher ab, fuhr ihm mit den glatten Fingernägeln über den Arm und schmiegte sich an ihn.
    »Hauptsache wir erwähnen das Loch im Baum mit keiner Silbe.«

29
    Jack ließ Marleston hinter sich. Wer war jetzt der, der weglief? Sie waren alle versammelt, vereint unter dem Dach der Friedhofserde, und sobald die Sache vollbracht war, hatte er nichts Eiligeres zu tun, als ihnen den Rücken zu kehren. Er hatte Toms Sarg getragen, mehr ertrug er nicht. Es war wohl kaum das, was sich gehörte, was sich schickte, aber wer wollte ihn halten? Am Vortag hatte ihn niemand gehalten, und plötzlich war alles so wie am Tag zuvor. (Nur die Stimme seiner eigenen Mutter, die ihm, was aber unmöglich war, nachrief: »Geh nicht, Jack«, hätte ihn halten können.)
     
    Aber er war nicht wirklich auf der Flucht. Er hatte die Straße Richtung Osten genommen, nach Polstowe, und gewusst, er würde nicht einfach dran vorbeifahren können. Es war eine Art Probe. Bei einer ihm vertrauten Lücke in der Hecke auf der rechten Straßenseite, ungefähr eine Meile hinter der Ortschaft, fuhr er rechts rüber und hielt an.
    Vertraut war es dann nur in den Grundzügen: Die doppelreihige Hecke, die den ansteigenden Feldweg rechts und links säumte und in rechtem Winkel auf die Hecke entlang der Straße stieß, war noch so wie früher, aber dasalte Gatter mit den fünf Sprossen war verschwunden, und mit ihm der von Ranken umwucherte Torpfosten. Ebenso verschwunden waren die betonierte Fläche für die Melktonnen sowie, auf der Seite des Torriegels, der hölzerne Briefkasten mit dem geschnitzten, verwitterten Schild darüber. Stattdessen gab es ein großes weißes Gatter mit dicken Sprossen und einem integrierten Briefkasten und den Wörtern »Jebb Farmhouse« in schwarzen Großbuchstaben in der Mitte der obersten Sprosse.
    Man konnte es kaum verfehlen.
    Noch auffälliger war, dass die früher mit Gras bewachsene und oft matschige Einfahrt, wo um die Fläche für die Melktonnen

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