Wärst du doch hier
sorgfältig zurechtgemacht hatte.
Ohnehin hätte Jack gesagt, sie sah einfach blühendaus. Fast achtundzwanzig, aber blühend. Was er ein bisschen später im großen Schlafzimmer bestätigt fand – auch das ein erstes Mal –, als das Kleid über einer Stuhllehne hing. Ellie war wieder einen Sommer älter, und ihr Vater war kürzlich gestorben, aber sie sah besser aus als im Jahr zuvor. Sie sah nicht aus wie eine Bauerntochter (was sie auch nicht mehr war, in dem Sinne, dass sie keinen Vater mehr hatte). Sie sah aus wie eine Besucherin, die sich mit großen Augen auf seinem herrschaftlichen Besitz umschaute. Das schien auch ihr absichtsvolles, närrisches Spiel. »Zeig mir doch alles hier, führ mich herum. Es ist so ein schöner Tag. Geh mit mir runter zum Barton Field.« Sie hatte sogar gesagt (die Idee hatte einen seltsamen Reiz): »Tu so, als würdest du mich nicht kennen. Tu so, als wäre ich noch nie hier gewesen.«
So ein schöner Tag. Das stimmte. Ein Nachmittag im Hochsommer, keine eiskalte Novembernacht. Damals hatte Jack geglaubt, er würde die Kälte jener Nacht niemals aus seinen Knochen vertreiben, aber jetzt fühlte er sich bis ins Mark erwärmt. Ellie zog den Finger aus dem Loch und lockte ihn zu sich. Blühend, wie sie war – und mit etwas, das sie später aus der Tasche (ihres taschenlosen Kleids) ziehen würde. Flecken von Sonnenlicht fielen durch das Laubdach der Eiche und perlten über ihre nackte Schulter.
»Komm schon« – beinah hätte sie sich über die Lippen geleckt – »steck du auch den Finger rein.«
Er sagte nicht, dass er das schon getan hatte, schuldbewusst und allein. Außerdem schien es ihm, als würde sie, wenn er keine Anstalten machte, seinen Finger nehmen und für ihn hineinstecken. Also steckte er ihn selbsthinein. Dann zwängte Ellie ihren Finger – ganz schön eng – neben seinen in das Loch.
»Na bitte.«
Es war wie ein Versprechen. Und mehr. Vor Jahren, als sie noch Kinder waren, hätten sie ihre Initialen nebeneinander in einen Baum ritzen können – aber das hatten sie nie getan. Jetzt schien das eine überholte und zu niedliche Idee.
Jack dachte in rauschhaft stürmischem Verlangen, sie könnten es gleich hier tun, in diesem Moment, an den Baum gelehnt. Die Rinde, die sich an das Rückgrat seines Vaters gedrückt hatte, jetzt an Ellies. Konnten sie das tun? Etwas derart Unerhörtes? Oder da drüben, in dem sommertrockenen Juligras, bei Lukes letzter Ruhestätte. Es war niemand zu sehen, nur ein paar grasrupfende Kühe und der große, blaue Himmel darüber.
Aber Ellie hatte gesagt: »Ich glaube, wir sollten wieder zum Haus raufgehen, was meinst du? Da könntest du mich auch mal rumführen. Ich glaube, eine Tasse Tee würde uns guttun, was meinst du?«
Und später hatte sie, einen Becher Tee vor ihren bloßen, hellen Brüsten, gesagt, dass sie mit dem Haus zusammen das Barton Field anbieten sollten. Mit dem Haus und dem Hof, alles als Privatwohneigentum. Vielleicht ein gemeinsames Wegerecht auf der Zufahrt. Nein, dumme Idee. Die Genossenschaft sollte ruhig ihre eigene Zufahrt bauen, sie konnte den Fahrweg von der Westcott Farm benutzen. Aber Barton Field, mit
dem
Ausblick, mit
der
Eiche – das würde den Ausschlag geben, das würde überzeugen.
»Du wirst sehen, Jacko. Fünfzigtausend zusätzlich.«Sie hatte einen Schluck Tee genommen und ihn ermutigend angelächelt. »Hauptsache, wir sagen nichts über das Loch.«
Aber als die Robinsons, die schon in Richmond in Surrey, ein Haus besaßen, die Jebb Farm erwarben (vielmehr das Wohnhaus der Jebb Farm), und als er und Ellie ihre Sachen packten, nachdem sie das restliche Land der Jebb Farm und die ganze angrenzende Westcott Farm an die Molkereigenossenschaft verkauft hatten, spielte Jack manchmal mit dem für ihn ganz untypischen und teuflischen Gedanken, dort eines Tages anzurufen oder sogar vorbeizufahren, und den Robinsons zu erzählen, was es mit dem Loch in der Eiche – vielleicht war es ihnen noch gar nicht aufgefallen – auf sich hatte.
Aber von der Isle of Wight konnte er schwerlich einfach mal vorbeikommen. Und als er zehn Jahre später die Fahrt anlässlich der Beerdigung seines Bruders machte, hatten die Robinsons der Jebb Farm ihre eigene Prägung verliehen. Nachdem sie, für Jacks Verhältnisse, ein kleines Vermögen für das Haus bezahlt hatten und dann ein weiteres kleines Vermögen, um es, wie sie es ausdrückten, »bewohnbar zu machen«, hatten sie das
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