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Wärst du doch hier

Wärst du doch hier

Titel: Wärst du doch hier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Swift
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hatte er jetzt klar und deutlich gesagt.
    Alles ist aus den Fugen geraten. Nur seine Gedanken sind klar und ruhig und entschieden. Als wäre ein letztes, abweisendes Tor einfach für ihn geöffnet worden. Jetzt braucht er nur noch durchzugehen und es zu schließen.
     
    Das Frühstück stand auf dem Tisch. Steht dort immer noch. Der Geruch von Bacon hängt noch immer in der Luft.
    »In seinen Tee, Ell. In sein Frühstück. Seine Eier mit Bacon.«
    Er wusste, dass er den Verstand verloren hatte, komplett verloren. Aber nur so konnte er tun   – ruhig und kühl   –, was er zu tun hatte. Schwierig war bloß, dass Ellie zu Hause gewesen war. Wäre sie nicht da gewesen, hätte er es schon längst tun können, gleich gestern Abend. Er hätte das Gewehr holen können. Aber Ellie war zu Hause. Aber eigentlich war das ganz gut. Es war sogar besser. Dass Ellie da war, das hatte er gesehen, war eigentlich gut. Es räumte eine wichtige Komplikation aus. Er hatte darüber geschlafen   – neben ihr, sich dabei ihrer kaum bewusst, so tief und hingebungsvoll hatte er geschlafen. Er hatte keinen einzigen Traum gehabt. Dann hatte er es, während er im Bett lag und sie unten in der Küche gehört hatte, genauer überdacht. Es musste eine Explosion geben. Eine Explosion vor der Explosion   – das, was ein Polizist eine »häusliche Auseinandersetzung« nennen würde.
    Er hatte nicht damit gerechnet, dass Ellie so schnell das tat, was in solchen Situationen oft passierte: dass sie davonstürmte. Und dann auch noch mit einer Drohung auf den Lippen, einer weiteren Verkomplizierung.
    »Ich sage nicht, dass er nicht daran gestorben ist, woran er gestorben ist. Ich sage bloß, dass du nachgeholfen hast.«
    »Du hast den Verstand verloren, Jack.«
    Das wusste er. Es musste so sein. Ellie sah ihn an, so wie sie ihn noch nie angesehen hatte, aber er vermutete, dass es andersherum genauso war.
    »Es stimmt also nicht?«
    »Wie kannst du es wagen?«
    »Es stimmt nicht?«
    »Jack. Jack   – komm zurück, bitte. Natürlich stimmt es nicht. Es stimmt natürlich nicht, verdammte Scheiße. Genauso könnte ich behaupten, dass du deinen Dad umgebracht hast.«
    Damit hatte er nicht gerechnet. Er wusste nicht genau, ob das die Situation komplizierter machte oder eher vereinfachte. Ob es vielleicht der Dreh- und Angelpunkt von allem war.
    »Er hat sich erschossen, Ell.«
    »Eben. Es ist das Gleiche   – und es ist genauso verrückt   –, als würde ich behaupten, du hast das Gewehr geholt und es getan.«
    Er starrte Ellie an. Sie glaubte, das hätte die Sache geklärt. Wie du mir, so ich dir. Sie dachte, damit wäre das Ganze beendet. Ein Witz.
    Außerdem, wie konnte er wahnsinnig sein, wenn er so klar im Kopf war?
    »Also, wenn man es genau nimmt, wie willst du wissen, dass ich das nicht getan habe? Wie willst du das wissen?«
    Das Thema hatten sie immer gemieden   – den Tod seinesVaters. Als müssten sie es noch einmal durchleben, wenn sie davon sprächen. Aber hatte er das nicht in letzter Zeit getan? Tat er das nicht jetzt, in diesem Moment?
    »Natürlich hast du das nicht getan.« Ellie lachte mit fremder, trockener, brüchiger Stimme.
    »Wie willst du das wissen?«
    »Jack   – hat das alles hier mit Tom zu tun?«
    »Wie willst du das wissen?«
    »Ich weiß es. Ich kenne dich.«
    Dabei sah sie ihn an, als wäre sie sich in dem Punkt nicht mehr sicher. Und was immer Ellie wusste, sie wusste nicht, konnte nicht wissen, was allein in seinem Kopf war.
    Selbst Jack war sich nicht sicher, wie alles gewesen war.
     
    Dass es nicht der Schuss war, der ihn geweckt hatte. Er hatte wach gelegen, vielleicht schon eine Weile, bevor er den Schuss hörte. Hatte er vielleicht auch gehört   – so wie damals bei Tom   –, wie sein Vater sich aus dem Haus stahl? In seinem schrecklichen Traum in Okehampton hatte er sogar ein kleines Quietschen gehört, von unten, vom Gewehrschrank. War das ein Traum? Oder der Traum von dem Traum, den er in jener Nacht damals hatte, bevor der Schuss ihn geweckt hatte? Oder war es schlicht und einfach so gewesen?
    In seinem Traum jedenfalls hatte er den Schuss nicht gehört. Der Schuss war noch nicht gefallen. Er hatte gehört, wie sein Vater sich unten im Haus bewegte. Er hatte das Öffnen der Küchentür gehört und das dumpfe Knirschen von Gummistiefeln auf dem gefrorenen Schlammim Hof. Und bevor er sich angezogen und selbst nach unten gegangen war, bevor er, die Taschenlampe in der Hand und mit bis zum Halse

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