Wärst du doch hier
sein Verhalten machte es deutlich, und wer hätte genau sagen können, wann und warum sich dieser Wechsel vollzog? Aber so war es nun einmal. Vielleicht lag es daran, dass Tom etwas Mütterliches hatte und dass Luke sich, weil auch er Vera vermisste, an Tom hielt. Vielleicht lag es aber auch daran, dass Luke begriffen hatte, so wie Jack auch, dass Tom, obwohl der jüngere Bruder, in den meisten Dingen der Überlegene war, und auch – schließlich war Luke ein Jagdhund – ein besserer Schütze.
Aber dann war Luke krank geworden. Er war kein junger Hund mehr. Der erste Ausbruch des Rinderwahns lag schon eine Weile zurück, und Luke, so konnte man sagen, hatte sich Zeit gelassen, dann aber aus Mitgefühl doch seine eigene Krankheit gefunden. Jedenfalls wurde er krank, langsam und allmählich, nicht wahnartig, er wurde kränker und schwächer, und dazu schien er auch noch zu erblinden. Sie wussten nicht, was sie tun sollten, und hofften, dass sich von selbst eine Lösung finden und Luke nicht dahinsiechen würde, sondern dass er sich das ersparen und einfach sterben würde. Sie alle dachten natürlich an das letzte Mal, was noch nicht allzu lange her war, als im Haus ein Tod bevorgestanden hatte.
Aber es zog sich in die Länge. Luke zog es in die Länge. Es fiel immer schwerer, das auszuhalten.
An einem drückenden düsteren Tag fuhr Michael mit dem Pick-up auf den Hof, holte einen Spaten aus dem Schuppen, ging dann ins Haus, wo er den Waffenschrank zwischen Küche und Treppe aufschloss und die Flinte herausnahm, die er dann zum Pick-up trug. Jack und Tom waren zu der Zeit beide auf dem Hof, aber so wie ihr Vater sich bewegte und aussah, schraken sie davor zurück, etwas zu sagen. Dann ging Michael in die Küche, wo Luke ständig auf einer Decke lag – er schaffte es nicht einmal mehr, zur Tür zu tapsen –, hob ihn auf, trug ihn zum Pick-up und legte ihn auf die Ladefläche, neben den Spaten.
Die ganze Zeit hatte ihr Dad nichts gesagt, aber jetzt sah er Jack und Tom hart an und holte Luft, als hätte er eine Bemerkung vorbereitet. Aber was er sagte, war: »Nein, keiner von euch beiden kommt mit.« Die Brüder sahen ihn ebenfalls hart an, beide hatten vielleicht einen Schritt vorgemacht, vielleicht eher, um ihn zurückzuhalten, als um sich ihm anzuschließen, aber Michael schien die Situation so zu deuten. Ob es etwas in Toms Augen war oder in Michaels eigenen Gedanken, jedenfalls besann Michael sich, denn als er sich ans Steuerrad setzte, sagte er zu Tom, allerdings nicht zu Jack: »Also gut, wenn du unbedingt willst. Hol dir einen Spaten.«
Vielleicht war das der Grund. Dass er dachte, so seien sie schneller fertig, und weniger, dass Luke inzwischen Toms Hund war. Aber wenn das so war, hätte er ebenso gut Jack auffordern können, oder beiden sagen können, sie sollten sich Spaten holen.
Und dann war Michael mit Tom und Luke, der Flinte und zwei Spaten losgefahren.
Später erzählte Tom, wenn auch nicht im Zusammenhang, alles – oder vielmehr alles, was er erzählen wollte –, aber die Situation selbst, von der Jack ausgeschlossen war, hat sich, so wie auch einige andere, die in seinem Leben von prägender Bedeutung waren, allein in seiner Vorstellung abgespielt und kam ihm wirklich und unwirklich zugleich vor.
Es besteht jedoch kein Zweifel, dass er den Schuss gehört hatte. Er hatte angestrengt danach gelauscht. Und später sah er den kleinen Hügel frisch festgeklopfter Erde. Luke war zu schwach gewesen, um seinen Kopf über den Rand des Pick-ups zu heben, als sie losfuhren, und einen letzten Blick mit Jack zu wechseln, und Jack wurde zu spät bewusst, dass ihm nicht einmal ein Abschied erlaubt worden war, dass er Luke nicht ein letztes Mal hatte streicheln können. Sein Vater war mit aufheulendem Motor losgefahren, als gälte es, keine Zeit zu verlieren, oder als fürchtete er, er könnte sich anders besinnen.
Jack blieb allein auf dem leeren Hof zurück, während das Geräusch des hügelabwärts holpernden Pick-ups verhallte. In der schwülen Luft wurde er von einer Wolke fliegender Ameisen umschwirrt. Seine Mutter, das wusste er, hätte das Nest ausfindig gemacht und dann Wasser gekocht. Aber Jack stand einfach da, auf dem Hof, und lauschte.
Tom erzählte, sie seien zum Barton Field gefahren, der Vater immer hart an der Bremse, an der großen Eiche vorbei zu der niedrig und eben gelegenen Ecke beim Wäldchen, wo der Boden auch im Sommer fast immer weichwar. Dann hätten
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