Wärst du doch hier
war wie eine riesengroße Raststätte mit Tankstelle gewesen – fürdie Armee. Es war noch nicht drei Uhr, aber der Tag neigte sich schon. Das Licht schien zart und fein gedehnt, im Schwinden begriffen. Er war schnell vorangekommen, sodass er sich jetzt nicht zu beeilen brauchte, aber seltsamerweise fürchtete er sich davor, im Dunkeln zu fahren. Davor, Tom wiederzusehen, fürchtete er sich jedoch nicht. Zweimal war es passiert, die Möglichkeit war also gegeben. Er fürchtete sich auch nicht mehr vor dem Leichenwagen – der womöglich, während er hier saß, gerade unbemerkt vorbeifuhr. Vielleicht war Tom auf eine Art und Weise, die plausibel und vertretbar war, gar nicht mehr in dem Leichenwagen. Jack starrte auf den leeren Platz neben sich; der aber blieb leer.
Offenbar war das etwas, das Tom bestimmte, nicht er.
Er schob den Teller beiseite, stand auf und ging wieder zu seinem Wagen. Jetzt war es richtig kalt. Der Himmel war fast ganz klar, die Umrisse der Dinge traten schärfer hervor. Sein dünner Schatten, dem Zeiger auf einer Scheibe gleich, ging ihm voraus über den Parkplatz. Er hatte immer noch die schwarze Krawatte um, hatte sie nicht einmal gelockert. Sein Anzug, den er auch morgen tragen müsste, war jetzt hoffnungslos zerknittert. Er legte das Jackett auf den Rücksitz, die Medaille steckte er wieder in seine Hemdbrusttasche.
Nach nur wenigen Minuten und wenigen Meilen kam er nach Devon. »Willkommen in Devon«. Hatte er das Gefühl, nach Hause zu kommen? Kam es ihm so vor, als hätte er eine spezielle Linie überquert? In weniger als einer halben Stunde, kurz vor Exeter, endete die Autobahn, und er wechselte zur A30 Richtung Westen. Natürlich war ihm der Gedanke gekommen, früher von derAutobahn abzufahren und über schmalere Landstraßen weiterzufahren, die ihn in bekannte Gegenden bringen würden. Aber seinem Gefühl nach wollte er die vertrauten Landschaftsblicke auf den nächsten Tag verschieben – und auch dann würde er sich vielleicht nicht lange damit aufhalten. Dies war keine Erinnerungstour. Die vierspurige A30 hatte den Vorteil, dass sie nicht nur schnell war, sondern auch so befahren wie eine Hauptverkehrsader überall anders auch.
Doch dann, obwohl er schnell fuhr, sah er plötzlich zur Rechten einen Hügel von einer bestimmten anschwellenden Form, eine gewisse bucklige, geballte Topografie, die er in seinem Innersten erkannte, und hier und da waren kahle Felder, gepflügt und aus der Landschaft ausgestochen, die den vertrauten rötlichen Ton hatten. Im Licht des späten Nachmittags war es wie ein Glühen. Die Anblicke schnürten ihm ganz unerwartet die Kehle zu. »Erde vermischt mit getrocknetem Blut«, hatte Michael Luxton einmal mürrisch gesagt.
Der Himmel wurde dunkler und hatte einen rötlichen Hauch, wie eine Entsprechung zu den Flecken auf den Hügeln. Er schaltete die Scheinwerfer an. Links kam Dartmoor in den Blick. Von der Jebb Farm waren seine fernen, wolkenverhangenen Konturen ein bekannter Anblick. Jetzt konnte er nicht länger leugnen, dass er zurück war. Andererseits war er nie im Dartmoor selbst gewesen, näher als jetzt war er auch früher nicht gewesen. Obwohl es damals ständig am Horizont zu sehen war, hätte es so fern wie die Isle of Wight sein können. Er wusste natürlich, dass es ein für Touristen attraktives Gebiet war, wo sich im Sommer viele Urlauber einfanden. Aber aucheine Gegend, wie er wusste, mit Schildern, auf denen stand: »Militärgelände. Kein Zutritt.«
Bevor der Tag vollständig der Nacht gewichen war, bog er von der A30 ab und fuhr in die Senke, wo sich Okehampton in die Landschaft schmiegte. Jetzt kam er durch eine Gegend, die er kannte, wenn auch nicht sehr gut. Okehampton – wie Barnstaple und Exeter – war für sie ein seltenes Ausflugsziel gewesen. Er hatte eine vage Erinnerung, dass er hier Aunt Maggie besucht hatte, eine Tante seiner Mutter. Eine Busfahrt, Geschäfte, Cream Tea in einem Lokal mit wackligen Stühlen. Aber Hotels kamen in seiner Erinnerung nicht vor. Es gab keinen Grund für Hotels. Zeit seines Lebens – und obwohl er selbst Fremde beherbergte – hatte Jack in nur drei Hotels übernachtet, alle in der Karibik. Jetzt würde er in einem Hotel wohnen, das weniger als zwanzig Meilen von seinem Geburtsort entfernt war.
Er hatte sich für das Globe Inn entschieden, das er zu Hause im Internet gefunden hatte. Da Ellie nicht dabei war, wollte er nichts Elegantes, einfach ein Bett für die
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