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Wärst du doch hier

Wärst du doch hier

Titel: Wärst du doch hier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Swift
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drehte den Wasserhahn auf. Und die anderen beiden Särge   – immer noch mit Fahnen umwickelt   –, wo waren sie jetzt? Pickering, Fuller. Er hatte kaum an sie gedacht.
    Er lag in der Badewanne, die Knie angezogen, damit er hineinpasste. Das Wasser war gurgelnd und heiß aus dem Hahn geströmt. Wie war Tom gestorben? Das Bad war besser, sicherer als das schwankende Bett. Er kam sich vor wie ein Mann auf der Flucht. Er hatte den intensiven Wunsch, nicht zu wissen, wer er war.
     
    Es war knapp sieben, als er aus dem Zimmer kam. Die Frau mit dem wackelnden Gang war nicht zu sehen, aber er hörte Stimmen auf dem Flur und das Geräusch eines Fernsehers. Er behielt also seinen Schlüssel bei sich. Er hatte die Medaille in die Reißverschlusstasche seines Parkas gesteckt. Er wagte es nicht, sie nicht bei sich zu haben. Es war, als hätte er einen Schlüssel bei sich. Er hatte nur einen Plan: einen Pub zu finden   – nicht dasGlobe selbst   – einen Pub, in dem er essen konnte. Und so viel wie nötig zu trinken, in sein Zimmer zu kommen und sich, möglichst ohne viel zu denken, ins Bett fallen zu lassen.
    Er hatte Glück, dass er schnell einen Pub fand. The Fox and Hounds, kaum drei Minuten von seinem Hotel entfernt. Drinnen saß zu dieser frühen Abendstunde genau die richtige Anzahl von Gästen, sodass er weder auffiel noch sich bedrängt fühlte. Außerdem war einer der Gäste, wie er beiläufig bemerkte, Tom. Immer noch in Kampfausrüstung, aber an die Bar gelehnt, als wäre er Stammgast hier, die eine Hand, in einer der vielen Taschen versenkt, die mit ein paar Münzen spielte oder vielleicht mit einer Handgranate. Er hatte sich umgesehen, als Jack reinkam, als wollte er sagen: »He, Jack! Was trinkst du?« Dann, wie die Male zuvor, war er verschwunden.
    Jack bestellte ein großes Bier und sah, dass auf den Tischen laminierte Speisekarten lagen. Ihm war es gleichgültig, was, Hauptsache Essen. Er setzte sich an einen Tisch an der Wand. Zwischen den künstlichen schwarzen Balken hingen, wie überall in ländlichen Pubs, Jagdszenen. Er trank sein erstes Bier ziemlich schnell, und als er zur Bar ging, um sich ein zweites zu holen, bestellte er Steak mit Pommes frites. Fox and Hounds, Steak und Pommes frites. Nach der Wirkung, die das Bier hatte, dachte er, noch ein drittes oder ein doppelter Scotch, das müsste ausreichen. Im Allgemeinen kannte er seine Grenzen. Viele der Feriengäste im Lookout Park, die mit ihm in Sands End ins Ship gingen, konnten bestätigen, dass Jack keiner war, der viel trank   – zwei Pints, gemächlichgetrunken. Sein großer Körper schien das Bier leicht zu verkraften und nicht mehr zu brauchen. Aber jetzt trank er auf ein Ziel hin.
    Jemand hatte auf einem der anderen Tische einen
Daily Express
zurückgelassen; so hatte er etwas zu tun. Er blätterte ihn durch, las aber nicht. Zum Glück war es die Ausgabe vom Vortag. Eine Lokalzeitung wollte er lieber nicht lesen. Er wollte nicht fernsehen, wenn er wieder in sein Zimmer kam. In der Bar gab es, wie er gleich festgestellt hatte, keinen Fernseher. Er wollte ohne Verbindung zur Außenwelt sein. Aber die Stimmen um ihn herum waren wie die Stimmen, die er von früher her kannte, und wieder hatte er das Gefühl, man könnte ihn plötzlich erkennen. Dann kam ihm der Gedanke, dass er   – eigentlich ganz unauffällig   – in einem gewöhnlichen Pub in Okehampton saß, nachdem er nur sieben oder acht Stunden zuvor mit Lords und Ladys und Generälen und weiß der Himmel wem noch zusammengestanden hatte. Er war da gewesen, wo Trommeln geschlagen, Signalhörner geblasen und Säbel geschwungen worden waren.
    Stellt euch vor, wo ich heute war.
    War es das Bier, das seine Wirkung tat, nur in die falsche Richtung? Während er auf das Essen wartete und den
Daily Express
durchblätterte   – so als wäre die Schrift durchsichtig   –, schien es Jack durchaus möglich, dass er einer von diesen merkwürdigen Männern werden könnte, die in Pubs sitzen und plötzlich aus ihrer Versunkenheit hochfahren und andere mit ihren unerwünschten Geschichten, ihren Rätseln oder ihrer reinen, schäumenden Wut behelligen. So etwas konnte auch im Lookout Park passieren (es konnte auch im Ship passieren, aber dannging es ihn nichts an). Die Furien, die manchmal durch zwei Wochen Ferien   – erstaunlich, eigentlich   – entfesselt wurden. Der Dampfkochtopf, zu dem ein Wohnwagen nach drei Tagen Regenwetter wurde. Jack kam es merkwürdig vor, dass er in

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