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Waffenschmuggel

Waffenschmuggel

Titel: Waffenschmuggel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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britischen Konsuls war Mrs. Lukey eine Zeitlang ruhiger gewesen; aber allmählich hatte die Wirkung des Besuches nachgelassen, und sie hatte wiederum zu weinen begonnen: Man würde sie foltern, man würde sie vergewaltigen, man würde sie erschießen. Sie hatte nichts getan. Sie wollte nicht sterben.
    Da nahezu alles, was sie sagte, nur zu genau Dorothys eigenen Ängsten und Vorahnungen entsprach, war es nicht leicht gewesen, sie mit Überzeugungskraft zu beruhigen.
    Verzweiflung kann ansteckend wirken, und Dorothy hatte begonnen, sich fieberhaft zu überlegen, wie sie Mrs. Lukeys Gedanken von ihrer augenblicklichen Situation ablenken könnte. In ihrer Beziehung zu Greg hatte Dorothy ganz unerwartet ein Thema gefunden, das sich als geeignetes Mittel dazu erwies. Mrs. Lukey gierte förmlich danach, mehr darüber zu erfahren. Dorothy nahm an, daß sie indirekt versuchte, dabei den Schlüssel zu einer verläßlicheren Beziehung zum eigenen Mann zu finden. Die Schwierigkeiten der Ehe waren es, für die sie sich am meisten interessierte. Ihre Tränen waren jetzt getrocknet, und auch die Nase lief ihr nicht mehr; dennoch hielt sie weiterhin den zusammengepreßten weißen Ball fest, der einmal Dorothys letztes Kleenex-Tüchlein gewesen war.
    »Welche Eigenschaften?« fragte sie noch einmal.
    »Oh, ich weiß nicht«, sagte Dorothy. »Nichts wirklich Schlimmes, eigentlich. Sie kennen doch diese Puppen mit dem runden Gewicht an den Füßen? Die sich immer wieder gerade aufrichten, wie sehr man sie auch herunterdrückt? Solange ein Mann wie Greg eine Arbeit hat, die ihm wichtig ist, wird er kaum jemals etwas wirklich Verrücktes anstellen. Nur wenn das Gewicht plötzlich nicht mehr da ist, passiert es, daß die Dinge schiefgehen. So war es auch, als er aus dem Krieg nach Hause kam. Er war vier Jahre fortgewesen und hatte mit Minensuchgeräten und Sprengstoffen zu tun gehabt. Die Arbeit war gefährlich gewesen, aber sie hatte ihn fasziniert. Die ganze Zeit über hatte er kaum an etwas anderes gedacht. Ich war so glücklich, als er heil zu mir und den Jungen nach Hause kam. Ich dachte, daß nun für uns alle Schwierigkeiten vorüber seien.« Sie machte eine Pause. »Das erste, was passierte, war, daß Greg sich in eine andere Frau verliebte – oder vielmehr in ein neunzehnjähriges Mädchen.«
    Mrs. Lukey blickte sie verstohlen an, aber Dorothys Gesicht blieb ruhig.
    »Ich glaube, wenn die Kinder nicht gewesen wären«, sagte sie, »hätten wir uns getrennt. Aber wir sind zusammengeblieben. Greg baute seine Firma auf, und mit der Zeit wurde alles wieder gut.«
    »Und was ist mit der anderen Frau?«
    Dorothy zuckte die Achseln. »Es ist fünf Jahre her, daß wir zuletzt darüber gesprochen haben. Greg wurde sehr ärgerlich.«
    »Weil er sie immer noch liebte?«
    »Nein. Weil er ihren Nachnamen nicht mehr wußte.«
    Mrs. Lukey sah sie einen Augenblick unsicher an. Dorothy blickte unnatürlich ernst drein. Dann fing Mrs. Lukey an zu lachen. Nach einem Augenblick mußte auch Dorothy lachen. Sie hörten nicht die näherkommenden Schritte der Wärter und lachten immer noch, als die Tür geöffnet wurde. Als sie sich umdrehten, ging Mrs. Lukeys Lachen in einen erstickten Schrei über.
    Die alte Frau, die den Aufseher-Dienst verrichtete, stand in der Tür, und hinter ihr einer der bewaffneten Wärter von der Kontroll-Sektion.
    Die Aufseherin sagte etwas auf malaiisch, und Mrs. Lukey begann zurückzuweichen.
    Als Dorothy zu ihr wollte, betrat der Wachtposten die Zelle und packte Mrs. Lukey am Arm. Sie schrie auf und versuchte sich loszureißen. Laut brüllend schleuderte er sie quer durch die Zelle zur Aufseherin hin und drückte dann, indem er seinen Karabiner mit beiden Händen packte, die beiden Frauen vor sich her auf den Korridor hinaus. Die Zellentür schlug hinter ihnen zu.
    Als sich Mrs. Lukeys Schreie entfernten, setzte sich Dorothy aufs Bett nieder und durchforschte fieberhaft ihre Tasche, um zu sehen, ob sich nicht vielleicht doch noch ein Kleenex-Tüchlein darin finden ließe, das sie bisher übersehen hatte. Es war keines da. Sie konnte ein Schluchzen nicht unterdrücken und versuchte, den Atem anzuhalten. Dann gab sie es auf. Kleenex hin, Kleenex her – vielleicht war es besser, zu weinen.
5
    Als Greg in seine Zelle zurückgebracht worden war, lag Captain Voychinski ausgestreckt auf dem Bett und schlief.
    Er erwachte vom Geräusch der zuschlagenden Zellentür, machte aber keine Anstalten, sich zu bewegen. Greg beachtete

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