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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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»Dieser ganze Organisationskram macht mich verrückt, und ich habe ihn... du weißt schon, vor mir hergeschoben.«
    Wireman war unerbittlich. In einem Zeugenstand vor Gericht wäre ich inzwischen eine kleine Pfütze aus Fett und Tränen gewesen, denke ich; der Richter hätte eine Verhandlungspause angeordnet, um dem Gerichtsdiener Zeit zu geben, mich aufzuwischen oder auf Hochglanz zu bringen. »Pam sagt, würde man die von der Freemantle Company errichteten Gebäude aus der Skyline von St. Paul entfernen, würde die Stadt wie Des Moines in den Siebzigerjahren aussehen.«
    »Pam übertreibt.«
    Er achtete nicht auf mich. »Soll ich tatsächlich glauben, dass ein Kerl, der so viel Arbeit organisiert hat, es nicht schafft, ein paar Flugtickets und zwei Dutzend Hotelzimmer zu organisieren? Vor allem wenn er dafür auf Büropersonal zurückgreifen kann, das liebend gern von ihm hören würde?«
    »Sie sind nicht... ich will nicht... sie können nicht einfach...«
    »Bist du jetzt sauer?«
    »Nein.« Aber ich war es doch. Die alte Wut war wieder da und wollte ihre Stimme erheben, bis sie so laut kreischte wie Axl Rose in The Bone. Ich drückte mit zwei Fingern auf die Stelle über meinem rechten Auge, wo Kopfschmerzen zu pochen begannen. Heute würde ich nicht mehr malen können, und daran war Wireman schuld. Wireman war an allem schuld. Einen Moment lang wünschte ich mir, er wäre blind. Nicht nur halb blind, sondern richtig blind. Dann wurde mir klar, dass ich ihn so hätte malen können. Sofort fiel meine Wut in sich zusammen.
    Wireman sah, wie ich mir an die Stirn griff, und schaltete einen Gang zurück. »Hör zu, die meisten Leute, die sie inoffiziell gefragt hat, haben bereits gesagt: Teufel noch mal, ja, wir würden natürlich gern kommen. Angel Slobotnik, dein alter Polier, hat Pam versprochen, dir ein Glas Essiggurken mitzubringen. Er sei ganz begeistert gewesen, hat sie gesagt.«
    »Keine Gurken, Soleier«, sagte ich, und Big Ainges breites, flaches, lächelndes Gesicht stand mir sekundenlang zum Greifen nahe vor Augen. Angel, der über zwanzig Jahre lang mit mir durch dick und dünn gegangen war, bis er nach einem schweren Herzanfall vorzeitig in den Ruhestand hatte gehen müssen. Angel, dessen Standardantwort auf selbst scheinbar unmögliche Forderungen Wird gemacht, Boss gewesen war.
    »Pam und ich organisieren die Flugreisen«, sagte Wireman. »Nicht nur für die Leute aus Minneapolis-St. Paul, sondern auch von anderen Orten.« Er tippte auf die Broschüre. »Die hier drinnen erwähnten Flüge von Air France und Delta gibt’s tatsächlich, und sie sind wirklich für deine Tochter Melinda gebucht. Sie weiß, was hier vorgeht. Ilse natürlich auch. Beide warten nur darauf, offiziell eingeladen zu werden. Ilse wollte dich anrufen, aber Pam hat sie gebeten, noch zu warten. Sie sagt, dass du den Startschuss geben musst, und ganz gleich, worin sie während eurer Ehe unrecht gehabt haben mag, muchacho , hat sie in diesem Punkt absolut recht.«
    »In Ordnung«, sagte ich. »Ich weiß, was du meinst.«
    »Gut. Jetzt will ich mit dir über den Vortrag reden.«
    Ich ächzte.
    »Wenn du vor dem Vortrag ausbüxt, fällt es dir doppelt so schwer, zur Vernissage zu gehen und...«
    Ich starrte ihn ungläubig an.
    »Was?«, fragte er. »Bist du anderer Meinung?«
    »Ausbüxen?«, fragte ich. » Ausbüxen? Was zum Teufel soll das heißen?«
    »Weglaufen«, sagte er leicht defensiv. »Landschaftlich gebraucht. Siehe zum Beispiel Evelyn Waughs Ohne Furcht und Tadel , 1952.«
    »Siehe meinenArsch und dein Gesicht«, sagte ich. »Edgar Freemantle, Gegenwart.«
    Er zeigte mir den Finger, und einfach so war zwischen uns fast alles wieder in Ordnung.
    »Du hast Pam die Bilder geschickt, nicht wahr? Du hast ihr die JPEG-Datei geschickt.«
    »Stimmt.«
    »Wie hat sie reagiert?«
    »Sie war überwältigt, muchacho .«
    Ich saß schweigend da und versuchte mir Pam überwältigt vorzustellen. Das gelang mir auch, aber das Gesicht, das ich vor Überraschung und Staunen aufleuchten sah, war ein jüngeres Gesicht. Die Zeit, in der ich dieses Leuchten hatte hervorrufen können, lag schon etliche Jahre zurück.
    Elizabeth begann einzudösen, aber ihre Haare wehten ihr ins Gesicht, und sie tatschte danach wie jemand, der von Insekten belästigt wird. Ich stand auf, holte ein Gummiband aus der Tasche zwischen den Griffen ihres Rollstuhls - dort befand sich immer eine Handvoll in verschiedenen Farben - und fasste damit ihr Haar zu einem

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