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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Pink - an der Staffelei stehend, fragte ich mich oft, wie die Farben im Westen nur so rasch verblassen konnten - und nie langsamer als an diesem Vormittag, an dem ich all die Telefongespräche führte, die ich bisher aufgeschoben hatte. Ich schluckte eines nach dem anderen wie Medizin.
    Ich betrachtete das auf meinem Schoß liegende schnurlose Telefon. »Hol dich der Teufel, Telefon«, sagte ich und begann wieder zu wählen.
     
     
     
     
     
    V »Scoto Gallery, Alice Aucoin.«
    Eine fröhliche Stimme, die ich in den letzten zehn Tagen gut kennengelernt hatte.
    »Hi, Alice, hier ist Edgar Freemantle.«
    »Ja, Edgar?« Aus fröhlich wurde vorsichtig. War dieser vorsichtige Unterton schon immer da gewesen? Hatte ich ihn lediglich ignoriert?
    Ich sagte: »Wenn Sie ein paar Minuten Zeit haben, könnten wir vielleicht über die Reihenfolge der Dias bei meinem Vortrag reden.«
    »Ja, Edgar, das können wir natürlich.« Ihre Erleichterung war fast mit Händen zu greifen. Also fühlte ich mich wie ein Held. Und natürlich wie eine Ratte.
    »Sind Sie schreibbereit?«
    »Darauf können Sie Gift nehmen!«
    »Okay. Im Prinzip wollen wir sie in chronologischer Folge anordnen...«
    »Aber ich kenne die zeitliche Folge nicht. Ich habe versucht, Ihnen das...«
    »Ich weiß, deshalb erkläre ich sie Ihnen jetzt. Aber passen Sie auf, Alice: Das erste Dia ist nicht chronologisch. Das erste sollte Aus Muscheln wachsen Rosen sein. Haben Sie das?«
    » Aus Muscheln wachsen Rosen. Notiert.« Erst zum zweiten Mal in unserer Bekanntschaft schien Alice froh zu sein, dass wir miteinander sprachen.
    »Jetzt zu den Buntstiftzeichnungen«, sagte ich.
    Wir redeten noch fast eine halbe Stunde lang.
     
     
     
     
     
     
    VI »Oui, allô?«
    Im ersten Augenblick sagte ich nichts. Das Französisch hatte mich etwas aus dem Tritt gebracht. Die Tatsache, dass dies die Stimme eines jungen Mannes war, noch mehr.
    »Allô, allô?« Jetzt ungeduldig werdend. »Qui est à l’appareil?«
    »Äh, vielleicht habe ich mich verwählt«, sagte ich und kam mir nicht nur wie ein Arschloch, sondern wie ein einsprachiges amerikanisches Arschloch vor. »Ich wollte Melinda Freemantle erreichen.«
    » D’accord, da sind Sie hier richtig.« Dann zur Seite gesprochen: »Melinda! C’est ton papa, je pense, chérie. «
    Der Hörer wurde laut klappernd abgelegt. Mir stand flüchtig ein Bild vor Augen - sehr deutlich, politisch sehr inkorrekt und vermutlich durch Pams Erwähnung der Comics ausgelöst, die ich in grauer Vorzeit für mein krankes kleines Mädchen gezeichnet hatte -, das eines großen sprechenden Stinktiers mit Baskenmütze, Monsieur Pepé Le Pew, der durch die pension (wenn dies das richtige Wort für ein Einzimmerapartment in Paris war) meiner Tochter stolzierte, während von seinem weiß gestreiften Rücken wellige Aromalinien aufstiegen.
    Dann war Melinda, deren Stimme ungewohnt nervös klang, am Apparat. »Dad? Daddy? Ist alles in Ordnung?«
    »Alles bestens«, sagte ich. »War das dein Mitbewohner?« Das sollte ein Scherz sein, aber ihr untypisches Schweigen bewies mir, dass ich unabsichtlich den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. »He, kein Grund zur Aufregung, Linnie. Ich wollte nur...«
    »...mit mir herumblödeln, klar.« Ich konnte unmöglich beurteilen, ob sie aufgebracht oder belustigt war. Die Verbindung war zwar gut, aber nicht so gut. »Das ist er übrigens.« Das eigentlich Gemeinte kam klar und deutlich rüber: Willst du deswegen Stunk machen?
    Ich wollte deswegen bestimmt keinen Stunk machen. »Nun, ich bin froh, dass du Freundschaften schließt. Trägt er eine Baskenmütze?«
    Zu meiner ungeheuren Erleichterung lachte sie. Bei Lin konnte man unmöglich voraussagen, wie sie einen Scherz ( Fez in Freemantle-Sprech) aufnehmen würde, denn ihr Sinn für Humor war launisch wie ein Aprilnachmittag. Sie rief: »Ric! Mon papa...« Etwas, das ich nicht verstand, dann: »...si tu portes un béret!«
    Ich hörte leises männliches Lachen. Ah, Edgar, dachte ich. Sogar in Übersee wälzen sie sich deinetwegen auf den Gängen, du père fou .
    »Daddy, alles in Ordnung mit dir?«
    »Alles bestens. Was macht deine Halsentzündung?«
    »Viel besser, danke.«
    »Ich habe eben mit deiner Mutter telefoniert. Du kriegst noch eine offizielle Einladung zu meiner Ausstellung, aber sie sagt, dass du kommst, und ich freue mich schon sehr.«
    » Du freust dich sehr? Mama hat mir ein paar deiner Bilder gemailt, und ich kann’s kaum noch erwarten! Wo hast du das

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