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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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nicht erleichtert war, dass sie ging.« Er verfiel erneut in Chris Shanningtons gedehnte Sprechweise. »Ist mit’nem Jungen mit Krawatte un’ Aug’n-schirm nach Atlanta durchgebrannt.« Dann hörte er wieder damit auf. Von toten kleinen Mädchen zu sprechen, selbst wenn sie schon vor achtzig Jahren ertrunken waren, ging ihm anscheinend noch immer nahe. »Sie ist mit ihrem neuen Mann zurückgekommen, aber da ging’s nur noch darum, die Leichen zu finden.«
    Ich zeigte auf das schwarze Kindermädchen mit dem grimmigen Gesichtsausdruck. »Wer ist das?«
    »Melda oder Tilda, vielleicht sogar, Gott sei uns gnädig, Hekuba, wenn man Chris Shannington glauben will. Sein Vater hat ihren Namen gewusst, aber Chris kann sich nicht mehr an ihn erinnern.«
    »Hübsche Armreife.«
    Er betrachtete sie ohne sonderliches Interesse. »Wenn du meinst...«
    »Vielleicht hat John Eastlake mit ihr geschlafen«, sagte ich. »Vielleicht waren die Armreife ein kleines Geschenk.«
    » ¿Quién sabe? Reicher Witwer, junge Frau - so was soll gelegentlich vorkommen.«
    Ich tippte auf den Picknickkorb, den die junge Schwarze in beiden Händen trug, wobei ihre Armmuskeln hervortraten, als sei er schwer. Schwerer, als ein paar Sandwichs ihn gemacht hätten, würde man meinen... aber vielleicht enthielt er ein ganzes Huhn. Und auch ein paar Flaschen Bier für den ollen Massa - als kleine Belohnung nach den Tauchgängen dieses Tages. »Welche Farbe hat der Deckelkorb deiner Meinung nach? Dunkelbraun? Oder rot?«
    Wireman warf mir einen merkwürdigen Blick zu. »Das lässt sich auf einem Schwarz-Weiß-Foto schwer beurteilen.«
    »Erzähl mir, wie der Sturm den Tod der kleinen Mädchen verursacht hat.«
    Er schlug den Ordner erneut auf und legte mir eine Kopie eines alten Zeitungsartikels mit dem dazugehörigen Foto hin. »Aus dem Venice Gondolier vom 28. März 1927. Auszüge daraus habe ich im Internet gefunden. Jack Cantori hat die Zeitung angerufen und jemanden dazu gebracht, den Originalartikel zu kopieren und mir zu faxen. Jack ist übrigens große Klasse.«
    »Ganz deiner Meinung«, sagte ich und studierte das Foto. »Wer sind diese Mädchen? Nein... sag’s mir nicht. Links neben ihm steht Maria. Hannah steht rechts.«
    »Eins mit Stern. Hannah ist die mit den Brüsten. Sie war 1927 vierzehn.«
    Wir studierten das Fax mehrere Sekunden lang schweigend. Eine E-Mail wäre besser gewesen. Das Fax wies ärgerliche schwarze Längsstreifen auf, die manche Wörter entstellten, aber die Schlagzeile war gut zu lesen: STURM BESCHERT SPORTTAUCHER UNVERHOFFTEN SCHATZFUND . Und das Zeitungsfoto war ebenfalls deutlich genug. Eastlakes Haaransatz war etwas zurückgewichen: Wie als Ausgleich dafür war sein schmales Menjoubärtchen jetzt zu einem Walrossschnauzer geworden. Und obwohl er weiter denselben schwarzen Badeanzug trug, platzte der jetzt fast aus den Nähten … und war unter einem Arm tatsächlich eingerissen, glaubte ich, obwohl das Foto nicht detailliert genug war, um meinen Verdacht zu bestätigen.Vater Eastlake schien zwischen 1925 und 1927 einiges an Gewicht zugelegt zu haben - der zweitklassige Schauspieler würde bald keine Rollen mehr bekommen, wenn er nicht anfing, auf Nachspeisen zu verzichten und mehr zu trainieren. Die beiden Mädchen, die ihn einrahmten, waren nicht so dunkeläugig sexy wie ihre ältere Schwester - betrachtete man Adriana, dachte man an heiße Nachmittage auf einem Heuboden; sah man diese beiden, fragte man sich, ob sie ihre Hausaufgaben schon gemacht hatten -, aber sie waren auf vielversprechende Weise hübsch, und ihre Aufregung war selbst auf dem Foto unverkennbar. Das war sie wirklich.
    Vor ihnen im Sand ausgebreitet lag nämlich ein Schatz.
    »Ich kann nicht alles erkennen, und die verdammte Bildunterschrift ist verschwommen«, beschwerte ich mich.
    »In der Schublade liegt ein Vergrößerungsglas, aber ich will dir die Kopfschmerzen ersparen.« Wireman griff nach einem Kugelschreiber und tippte mit der Spitze auf die einzelnen Gegenstände. »Das ist ein Medizinfläschchen, und dies hier eine Musketenkugel - zumindest behauptet Eastlake das in dem Interview. Vor Maria scheint ein Stiefel zu liegen... oder die Überreste eines Stiefels. Gleich daneben...«
    »Eine Brille«, sagte ich. »Und... eine Halskette?«
    »In dem Bericht wird sie als Armband bezeichnet. Keine Ahnung, ob das stimmt. Ich sehe nur eine Art Metallring, der mit irgendwelchem Mist überwuchert ist. Aber das ältere Mädchen hält eindeutig einen

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