Wahn - Duma Key
Ohrring hoch.«
Ich überflog den Bericht. Außer den abgebildeten Sachen hatte Eastlake verschiedene Essutensilien gefunden... vier Becher im »italienischen Stil«, wie er behauptete... einen dreifüßigen Untersetzer... eine Kiste mit Hausrat (was immer damit gemeint sein mochte)... und Unmengen Nägel. Und er hatte einen halben Mann aus Porzellan gefunden, der aber nicht ausgestellt oder zumindest nicht aufs Bild gekommen war. In dem Artikel hieß es, Eastlake tauche seit fünfzehn Jahren zwischen den erodierten Riffen westlich von Duma Key - manchmal, um mit der Harpune Fische zu jagen, oft nur zur Entspannung. Er sagte, er habe schon alles mögliche Zeug, aber nie etwas wirklich Interessantes gefunden. Er sagte, die Alice (er nannte sie tatsächlich so) habe bemerkenswert hohe Wellen hervorgerufen, die offenbar so viel Sand vom Meeresboden weggespült hatten, dass der von ihm so bezeichnete »Abladeplatz« sichtbar geworden war.
»Er spricht nicht von einem Schiffswrack«, sagte ich.
»Es gibt keins«, sagte Wireman. »Dort ist kein Schiff untergegangen. Er hat keines gefunden, und auch die vielen Dutzend Leute, die ihm auf der Suche nach den Leichen seiner kleinen Mädchen geholfen haben, haben keines entdeckt. Nur allen möglichen Müll. Wäre ein Wrack zu finden gewesen, hätten sie’s entdeckt: Südwestlich der Insel ist das Wasser bis zu den Überresten von Kitt Reef hinaus nur sieben bis acht Meter tief und noch heute ziemlich klar. Damals muss es türkisgrünem Glas geglichen haben.«
»Irgendwelche Theorien darüber, wie das Zeug dort hingelangt ist?«
»Klar doch. Wahrscheinlich ist vor hundert, zweihundert, dreihundert Jahren dort draußen ein Schiff kurz vor dem Absaufen vorbeigesegelt und hat dabei allen möglichen Scheiß verloren. Oder vielleicht hat die Besatzung irgendwelchen Kram über Bord geworfen, um nicht unterzugehen. Als der Sturm vorüber war, hat sie die Schäden instand gesetzt und ist mit unbekanntem Ziel weitergesegelt. Das wäre eine Erklärung dafür, wieso Eastlakes Funde über eine längere Strecke verteilt waren - und warum er nichts wirklich Wertvolles entdeckt hat. Schätze wären an Bord geblieben.«
»Und das Riff hätte den Rumpf eines Schiffes, das um 1700 oder 1800 im Sturm in diese Gewässer geraten wäre, nicht aufgerissen?«
Wireman zuckte mit den Schultern. »Chris Shannington sagt, dass niemand weiß, wie die Geografie von Kitt Reef vor hundertfünfzig Jahren ausgesehen haben mag.«
Ich betrachtete die ausgebreiteten Funde. Die lächelnden mittleren Töchter. Den lächelnden Daddy, der sich bald einen neuen Badeanzug würde kaufen müssen. Und mir wurde plötzlich klar, dass er nicht mit dem Kindermädchen geschlafen hatte. Nein. Selbst eine Geliebte hätte ihm gesagt, er könne sich unmöglich in diesem alten Ding für die Zeitung fotografieren lassen. Sie hätte eine taktvolle Begründung gefunden, aber den wahren Grund hatte ich nach all diesen Jahren hier vor Augen; ich konnte ihn selbst mit meinem schwächeren rechten Auge sehen. Er war zu fett. Nur sah er selbst das nicht, und seine Töchter auch nicht. Die Augen der Liebe sind blind.
Zu fett. Aber es gab noch etwas anderes, nicht wahr? Irgendein A, das praktisch ein B erforderte.
»Mich wundert, dass er überhaupt von seinem Fund erzählt hat«, sagte ich. »Würde jemand heute so was entdecken und auf Channel 6 darüber schwatzen, würde halb Florida in kleinen Außenbordern aufkreuzen und versuchen, mit Metalldetektoren Dublonen und Achtpfünder zu finden.«
»Ah, aber das war ein anderes Florida«, sagte Wireman, und ich erinnerte mich, dass Mary Ire den gleichen Ausdruck gebraucht hatte. »John Eastlake war ein reicher Mann, und Duma Key war sein Privatbesitz. Außerdem gab es weder Dublonen noch Achtpfünder zu finden - nur mäßig interessanten Schund, den ein außergewöhnlicher Sturm freigelegt hatte. Er hat wochenlang dort getaucht, wo dieses Zeug über den Meeresboden verstreut war - und wie Shannington erzählt, lag es nicht allzu weit draußen; bei Ebbe konnte man praktisch zu ihm hinauswaten. Und er hat bestimmt gehofft, doch noch etwas Wertvolles zu finden. Er war reich, aber ich glaube nicht, dass das einen Mann gegen das Schatzsuchervirus immun macht.«
»Nein«, sagte ich. »Wohl kaum.«
»Das Kindermädchen hat ihn bestimmt zu seinen Schatzsuchen begleitet. Auch die drei Mädchen, die noch daheim waren: die Zwillinge und Elizabeth. Maria und Hannah waren wieder in Bradenton in
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