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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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amerikanischen Mittelklassewagen, auf die Leihwagenfirmen spezialisiert sind. Ich hatte seit dem Tag, an dem Mrs. Fevereau Gandalf angefahren hatte, nicht mehr am Steuer gesessen und würdigte ihn kaum eines Blickes. Mich interessierte mehr der klotzige rosa Elefant, den ich gemietet hatte. »Gibt’s denn keine Bauvorschriften, die den Abstand zum Golf von Mexiko festlegen?«
    »Jetzt natürlich schon, aber nicht, als dieses Haus gebaut wurde. Aus praktischer Sicht geht es hier darum, dass der Strand erodiert. Ich bezweifle, dass das Haus ursprünglich so über dem Wasser gehangen hat.«
    Damit hatte er sicher recht. Ich bildete mir ein, fast zwei Meter der Pfähle sehen zu können, die die mit Fliegengittern versehene Veranda - den sogenannten Florida-Raum - trugen. Würden diese Gründungspfähle nicht zwanzig Meter tief bis zu gewachsenem Fels hinunterreichen, würde das Haus irgendwann in den Golf von Mexiko kippen. Es war nur eine Frage der Zeit.
    Während ich das dachte, sprach Jack Cantori es aus. Dann grinste er. »Keine Sorge, Sie werden bestimmt rechtzeitig gewarnt. Sie werden es ächzen hören.«
    »Wie das Haus Usher«, sagte ich.
    Sein Grinsen wurde breiter. »Genau! Aber es hält sich bestimmt noch ein paar Jahre. Sonst hätte man es für unbewohnbar erklärt.«
    »Da wäre ich mir nicht so sicher«, sagte ich. Jack war rückwärts an die Haustür herangefahren, damit der Kofferraum leichter zu entladen war. Er enthielt allerdings nicht viel: drei Koffer, einen Kleidersack, eine Laptoptasche samt Inhalt und meinen Rucksack mit einfachstem Künstlerbedarf - hauptsächlich Skizzenblöcke und Buntstifte. Ich reiste mit leichtem Gepäck, als ich mein anderes Leben verließ. Ich ging davon aus, dass ich in meinem neuen vor allem mein Scheckbuch und meine American-Express-Karte brauchen würde.
    »Wie meinen Sie das?«, fragte er.
    »Wer es sich leisten konnte, hier zu bauen, konnte vielleicht auch ein paar B-and-C-Inspektoren dazu überreden, ein Auge zuzudrücken.«
    »B-and-C? Was heißt das?«
    Einen Moment lang konnte ich ihm das nicht sagen. Ich konnte sehen , was es bedeutete: Männer in weißen Hemden mit Krawatte, die hochfeste gelbe Schutzhelme aufhatten und Schreibbretter in den Händen hielten. Ich konnte sogar die Kugelschreiber in ihren Hemdtaschen und die Taschenschoner aus Kunststoff sehen, an denen sie festgeklemmt waren. Der Teufel steckt im Detail, nicht wahr? Aber mir fiel nicht ein, was B-and-C bedeutete, obwohl ich dieses Kürzel so gut kannte wie meinen eigenen Namen. Sofort wurde ich wütend. Mir kam es vor, als wäre es die vernünftigste Antwort der Welt, meine linke Hand zur Faust zu ballen und damit den ungeschützten Adamsapfel des neben mir sitzenden jungen Mannes zu treffen. Fast zwingend notwendig. Weil er die Frage gestellt hatte, die mich in Verlegenheit gebracht hatte.
    »Mr. Freemantle?«
    »Augenblick«, sagte ich und dachte: Ich schaffe das.
    Ich dachte an Dan Field, der in den Neunzigerjahren mindestens die Hälfte meiner Gebäude inspiziert hatte (so war es mir zumindest vorgekommen), und mein Verstand stellte wieder eine Querverbindung her. Ich merkte, dass ich kerzengerade und mit im Schoß verkrampfter Hand dagesessen hatte. Dass die Stimme des Jungen besorgt geklungen hatte, war nur verständlich. Ich musste ausgesehen haben, als hätte ich Magenkrämpfe. Oder einen Herzinfarkt.
    »Sorry«, sagte ich. »Ich hatte einen Unfall. Hab mir den Kopf angeschlagen. Mein Verstand stottert manchmal.«
    »Schon in Ordnung«, sagte Jack. »Kein Problem.«
    »B-and-C bedeutet ›Building and Code‹. Im Prinzip sind das die Kerle, die entscheiden, ob ein Gebäude einsturzgefährdet ist oder nicht.«
    »Sie reden von Bestechung?« Mein neuer Angestellter wirkte bedrückt. »Nun, das kommt bestimmt vor, vor allem hier unten. Geld regiert die Welt.«
    »Seien Sie nicht so zynisch. Manchmal steckt dahinter nur Freundschaft. Bauunternehmer, Subunternehmer, Baukontrolleure, sogar die OSHA-Kerle... sie trinken meistens in denselben Bars und waren alle auf denselben Schulen.« Ich lachte. »Manchmal auch in Besserungsanstalten.«
    »An der Nordspitze von Casey Key wurden zwei Strandhäuser gesperrt, als die Erosion sich beschleunigt hat«, sagte Jack. »Eines davon ist tatsächlich ins Meer gekippt.«
    »Nun, wie Sie richtig sagen, werde ich es vermutlich ächzen hören, und vorerst sieht es noch sicher aus. Bringen wir also mein Zeug rein.«
    Ich öffnete meine Tür, stieg aus und

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