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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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taumelte, weil meine schlimme Hüfte sich versteifte. Wenn ich nicht rechtzeitig die Krücke eingestemmt hätte, wäre ich zur Begrüßung auf der steinernen Türschwelle zu Boden gegangen.
    » Ich bringe das Zeug rein«, sagte Jack. »Sie sollten sich lieber hinsetzen, Mr. Freemantle. Ein kaltes Getränk könnte auch nicht schaden. Sie sehen echt müde aus.«
     
     
     
     
     
     
    IV Die Reise war doch anstrengend gewesen, und ich war mehr als nur müde. Als ich im Wohnzimmer in einen Sessel sank (wie immer linkslastig, während ich versuchte, mein rechtes Bein möglichst ausgestreckt zu lassen), war ich bereit, mir einzugestehen, dass ich erschöpft war.
    Trotzdem hatte ich kein Heimweh, zumindest noch nicht. Während Jack hin und her ging, meine Koffer ins größere der beiden Schlafzimmer trug und meinen Laptop auf den Schreibtisch im kleineren stellte, sah ich immer wieder zu der komplett verglasten Westwand des Wohnzimmers hinüber, zu dem Florida-Raum dahinter und dem Golf von Mexiko wiederum dahinter. Er war eine weite blaue Fläche, an diesem heißen Novembernachmittag flach wie ein Teller, und obwohl die Schiebetüren geschlossen waren, konnte ich sein sanftes, gleichmäßiges Seufzen hören. Er hat kein Gedächtnis, dachte ich. Das war ein seltsamer Gedanke, merkwürdig optimistisch. In Bezug auf Erinnerungen - und Zorn - hatte ich noch etliche strittige Punkte aufzuarbeiten.
    Jack kam aus dem Gästezimmer zurück und setzte sich auf die Sofalehne - der Sitzplatz eines jungen Mannes, der sich verabschieden möchte, dachte ich. »Sie haben alle Grundnahrungsmittel«, sagte er, »plus fertig angemachten Salat, Hamburger und eins von diesen eingeschweißten Brathähnchen - Astronautenhähnchen, wie wir sie zu Hause nennen. Damit müssten Sie fürs Erste auskommen.«
    »Gut.«
    »Fettarme Milch...«
    »Auch gut.«
    »… und Halb-und-Halb.Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen nächstes Mal richtige Sahne mitbringen.«
    »Wollen Sie meine einzige noch verbliebene Arterie verstopfen?«
    Er lachte. »Es gibt eine kleine Speisekammer mit allem möglichen Schei… Zeug in Dosen. Der Kabelfernseher läuft, der Computer hat Internetanschluss - ich hab Ihnen eine Wi-Fi-Karte eingebaut, kostet ein bisschen mehr, ist aber echt cool -, und wenn Sie wollen, kann ich eine Satellitenschüssel installieren lassen.«
    Ich schüttelte den Kopf. Er war ein guter Junge, aber ich wollte dem Golf lauschen, der mich mit Worten umschmeichelte, die er eine Minute später vergessen haben würde. Und ich wollte dem Haus lauschen, um zu hören, ob es vielleicht etwas zu sagen hatte. Ich vermutete, dass dem so sein würde.
    »Die Schlüssel liegen in einem Umschlag auf dem Küchentisch - auch die Autoschlüssel -, und am Kühlschrank hängt eine Liste mit wichtigen Telefonnummern. Von Dienstag bis Freitag habe ich Vorlesungen an der FSU in Sarasota, aber ich habe mein Handy dabei und komme immer dienstags und donnerstags um siebzehn Uhr zu Ihnen raus, solange wir nichts anderes vereinbaren. Ist das okay?«
    »Ja.« Ich griff in meine Tasche und zog meinen Geldclip heraus. »Ich möchte Ihnen gern etwas extra geben. Sie haben alles großartig vorbereitet.«
    Er winkte ab. »Nee. Das hier ist ein echt netter Gig, Mr. Freemantle. Gute Bezahlung, gute Arbeitszeiten. Ich käme mir schäbig vor, wenn ich was extra nehmen würde.«
    Darüber musste ich lachen, und ich steckte mein Geld wieder ein. »Okay.«
    »Und vielleicht sollten Sie ein Nickerchen machen«, sagte er und stand auf.
    »Das tue ich vielleicht.« Es war eigenartig, wie Grandpa Walton behandelt zu werden, aber daran musste ich mich vermutlich gewöhnen. »Was ist aus dem anderen Haus an der Nordspitze von Casey Key geworden?«
    »Hä?«
    »Sie haben gesagt, das eine ist ins Meer gekippt. Und das andere?«
    »Soweit ich weiß, steht es noch. Aber wenn irgendwann ein großer Sturm wie Charley genau diesen Teil der Küste trifft, wird’s hier zugehen wie beim Ausverkauf: Alles muss weg!« Er trat vor mich hin und streckte die Hand aus. »Willkommen in Florida, Mr. Freemantle. Ich hoffe, dass es Sie echt gut behandelt.«
    Ich schüttelte ihm die Hand. »Danke...« Ich zögerte, wahrscheinlich nicht so lange, dass er etwas merkte, und wurde nicht wütend. Zumindest nicht auf ihn. »Vielen Dank für alles.«
    »Klar.« Er musterte mich mit kaum spürbarer Verwunderung, bevor er hinausging - also hatte er vielleicht doch etwas gemerkt. Das war mir egal. Endlich war ich allein. Ich

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