Wahn - Duma Key
gehört. Die beiden haben es geliebt. Sie haben das verdammte Ding überallhin mitgeschleppt. Als sie ertrunken waren, hat es vor dem Rampopo - dem Spielhaus auf dem Rasen am Pool - gestanden. Mein Vater konnte seinen Anblick nicht länger ertragen. Er hat es beim Trauergottesdienst ins Wasser werfen lassen. Natürlich mit der Girlande, die das Pferd umhängen hat.«
Stille, die nur durch das keuchende Rasseln ihres Atems unterbrochen wurde. Mary Ire starrte sie mit großen Augen an, dachte nicht mehr daran, sich zwanghaft Notizen zu machen, und hielt ihren Notizblock in einer herabhängenden Hand, als hätte sie ihn vergessen. Die andere Hand hatte sie vor den Mund geschlagen. Dann zeigte Wireman auf eine Tür, die sehr geschickt in der Wandbespannung aus Jute verborgen war. Hadlock nickte. Und plötzlich war Jack da; tatsächlich war es Jack, der die Initiative ergriff. »Wir haben Sie gleich draußen, Miz Eastlake«, sagte er. »Kein Problem.« Er umfasste die Handgriffe ihres Rollstuhls.
»Sehen Sie sich das Kielwasser des Schiffs an!«, schrie Elizabeth mich an, bevor sie endgültig aus dem Blick der Öffentlichkeit verschwand. »Um Himmels willen, sehen Sie denn nicht, was Sie gemalt haben?«
Ich sah hin. Das tat auch meine Familie.
»Da ist nichts zu sehen«, sagte Melinda. Sie sah misstrauisch zu der Bürotür hinüber, die sich eben hinter Jack und Elizabeth schloss. »Ist sie bekloppt, oder was?«
Illy stand auf Zehenspitzen und verrenkte sich den Hals, um besser sehen zu können. »Daddy«, sagte sie zögernd. »Sind das Gesichter? Gesichter im Wasser?«
»Nein«, sagte ich und staunte darüber, wie fest meine eigene Stimme klang. »Du siehst nur eine Idee, die sie dir in den Kopf gesetzt hat. Entschuldigt ihr mich für einen Augenblick, Leute?«
»Natürlich«, sagte Pam.
»Kann ich irgendwie helfen, Edgar?«, fragte Kamen in seinem dröhnenden Bass.
Ich lächelte. Ich staunte auch darüber, wie leicht mir das fiel. Ein Schock konnte anscheinend auch nützlich sein. »Nein, vielen Dank. Ihr Arzt ist bei ihr.«
Ich hastete zu der Bürotür und widerstand dem Drang, mich noch mal umzusehen. Melinda hatte sie nicht gesehen; Ilse dagegen schon. Ich vermutete, dass nicht viele Leute sie wahrnehmen würden, selbst wenn man sie ihnen zeigte … und selbst dann würden die meisten sie als Zufall oder künstlerischen Einfall abtun.
Diese Gesichter.
Diese kreischenden ertrunkenen Gesichter in dem vom Sonnenuntergang roten Kielwasser des Schiffes.
Laura und Tessie waren dort, ganz gewiss, aber auch andere, dicht unter ihnen, wo das Rot zu Grün verblasste und das Grün zu Schwarz wurde.
Ein Gesicht gehörte zweifellos einem Mädchen mit karottenroten Haaren in einem altmodischen einteiligen Badeanzug: Elizabeth’ ältester Schwester Adriana.
VII Wireman flößte ihr kleine Schlucke von etwas ein, das wie Perrier aussah, während Rosenblatt, an ihrer Seite stehend, buchstäblich die Hände rang. Das Büro schien von Menschen überzuquellen. Hier war es heißer als in der Galerie, und die Temperatur stieg weiter.
»Raus mit euch allen!«, sagte Hadlock. »Alle außer Wireman! Los, raus jetzt!«
Elizabeth schob das Glas mit dem Handrücken weg. »Edgar«, sagte sie mit heiserer Stimme. »Edgar bleibt.«
»Nein, Edgar geht«, sagte Hadlock. »Sie haben sich mehr als genug aufge…«
Seine Hand befand sich vor ihr. Elizabeth ergriff sie und drückte sie. Anscheinend recht kräftig, Hadlocks Augen weiteten sich nämlich.
»Er bleibt.« Nur ein Flüstern, aber ein gebieterisches.
Leute begannen den Raum zu verlassen. Ich hörte, wie Dario den draußen Versammelten erklärte, alles sei in Ordnung, Miss Eastlake fühle sich ein wenig schwach, aber ihr Arzt sei bei ihr und sie erhole sich bereits. Jack ging eben hinaus, als Elizabeth ihm nachrief: »Junger Mann!« Er drehte sich um.
»Nicht vergessen«, ermahnte sie ihn.
Er grinste knapp und salutierte mit zwei an die Schläfe gelegten Fingern. »Nein, Ma’am, bestimmt nicht.«
»Ich hätte gleich auf Sie vertrauen sollen«, sagte sie, und Jack ging hinaus. Etwas leiser, als ließen ihre Kräfte nach, fügte sie hinzu: »Er ist ein guter Junge.«
»In welcher Beziehung vertrauen?«, fragte Wireman sie.
»Dass er auf dem Dachboden einen bestimmten Picknickkorb sucht«, sagte sie. »Auf dem Foto auf dem Treppenabsatz trägt Nan Melda ihn.« Sie starrte mich vorwurfsvoll an.
»Tut mir leid«, sagte ich. »Ich erinnere mich,
Weitere Kostenlose Bücher