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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Tisch.
    Er wollte wissen, wie ich an den Artikel gekommen war, und ich erzählte es ihm. Als er meinte, dass ihm das alles ein bisschen zu praktisch vorkomme, zuckte ich mit den Schultern. Ich dachte daran, was Elizabeth zu mir gesagt hatte - DasWasser fließt jetzt rascher. Bald kommen Stromschnellen. Nun, die Stromschnellen waren da. Und ich hatte das Gefühl, dass das weiß schäumende Wasser gerade erst anfing zu brodeln.
    Meiner Hüfte ging es schon etwas besser; ihr spätnächtliches Pochen war auf ein bloßes Pulsieren herabgesunken. Nach allgemeiner Überzeugung ist der Hund der beste Freund des Menschen, aber ich hätte für Aspirin gestimmt. Ich nahm meinen Stuhl mit und setzte mich so neben Wireman, dass ich die Schlagzeile lesen konnte: MÄDEL AUS DUMA KEY BLÜHT NACH STURZ AUF - EIN WUNDERKIND? Darunter war ein Foto abgedruckt. Es zeigte einen Mann, den ich gut kannte, in einem Badeanzug, den ich gut kannte: John Eastlake in seiner schlankeren, sportlicheren Inkarnation. Er lächelte und hatte ein lächelndes kleines Mädchen auf dem Arm. Die Kleine war Elizabeth, ungefähr im selben Alter wie auf dem Familienporträt von Daddy und seinen Töchtern, nur trug sie diesmal einen Kopfverband und hielt mit beiden Händen eine Zeichnung in die Kamera. Auf dem Foto war auch noch ein viel älteres Mädchen - die große SchwesterAdriana, die tatsächlich rothaarig zu sein schien -, aber Wireman und ich beachteten sie anfangs kaum. So wenig wie John Eastlake. Oder die kleine Göre mit dem Mullverband um den Kopf.
    »Heiliger Bimbam!«, sagte Wireman.
    Die Zeichnung stellte ein Pferd dar, das über den Zaun einer Koppel blickte. Es trug ein unwahrscheinliches (und nicht pferdgerechtes) Lächeln zur Schau. Im Vordergrund, mit dem Rücken zum Betrachter, hielt ein kleines Mädchen mit üppigen goldenen Ringellöckchen dem lächelnden Pferd eine Karotte von der Größe einer Schrotflinte zum Fressen hin. Auf beiden Seiten wuchsen Palmen, die das Bild fast wie Theatervorhänge einrahmten. Darüber standen bauschige weiße Wolken und eine riesengroße Sonne, die glückstrahlend leuchtete.
    Es war eine Kinderzeichnung, aber das Talent, das sie geschaffen hatte, stand außer Frage. Das Pferd besaß eine Lebensfreude, die sein Lächeln zur Pointe eines fröhlichen Scherzes machte. Man hätte ein Dutzend Kunststudenten mit der Aufgabe, ein glückliches Pferd zu zeichnen, in einen Raum setzen können - und ich hätte gewettet, dass keiner von ihnen ein ähnlich gutes Bild abgeliefert hätte. Sogar die übertrieben große Karotte wirkte nicht fehlerhaft, sondern war Teil des Scherzes, ein Geschmacksverstärker, ein künstlerisches Aufputschmittel.
    »Das ist kein Scherz«, murmelte ich und beugte mich tiefer darüber … nur nützte größere Nähe nichts. Ich betrachtete dieses Bild durch vier ärgerliche Verschleierungsebenen: das Pressefoto, die Wiedergabe des Pressefotos im Zeitungsdruck, die Fotokopie der Wiedergabe des Pressefotos im Zeitungsdruck... und die Zeit selbst. Über achtzig Jahre, wenn ich richtig gerechnet hatte.
    »Was ist kein Scherz?«, fragte Wireman.
    »Wie die Größe des Pferdes übertrieben ist. Und die Karotte. Sogar die Sonnenstrahlen. Das ist der Freudenschrei eines Kindes, Wireman!«
    »Ein Schwindel, meinst du. Es muss einer sein. Damals wäre sie zwei gewesen! Eine Zweijährige kann nicht einmal Strichmännchen zeichnen und sie Mama und Papa nennen, oder?«
    »War das, was Candy Brown zugestoßen ist, ein Schwindel? Und was ist mit dem Geschoss, das in deinem Gehirn gesteckt hat? Das jetzt nicht mehr da ist?«
    Er schwieg.
    Ich tippte auf WUNDERKIND . »Siehst du, sie hatten sogar das richtige Wort dafür.Was wäre wohl passiert, wenn sie arm und schwarz gewesen wäre?Wäre sie gönnerhaft als LAUNE DER NATUR bezeichnet und in eine Kuriositätenschau gesteckt worden? Das glaube ich nämlich irgendwie.«
    »Wäre sie arm und schwarz gewesen, hätte sie es nie in die Zeitung geschafft. Oder wäre gar nicht erst aus einem Ponywägelchen gefallen.«
    »Ist das damals …« Ich sprach nicht weiter, denn das verschwommene Foto hatte erneut meine Aufmerksamkeit erregt. Nur betrachtete ich diesmal die große Schwester. Adriana.
    »Was?«, fragte Wireman, und sein Tonfall besagte: Was ist nun schon wieder?
    »Ihr Badeanzug - kommt er dir bekannt vor?«
    »Ich sehe nicht viel davon, bloß das Oberteil. Vor den Rest hält Elizabeth ihre Zeichnung.«
    »Was ist mit dem Teil, den du sehen kannst?«
    Er

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