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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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uns noch blau war -, aber es war klar, dass der Nachmittag entweder vorüber oder fast vergangen war.
    »Wie spät ist es?«, fragte ich.
    »Viertel nach fünf«, sagte Wireman. Dass er dazu nicht auf seine Uhr zu sehen brauchte, bewies mir, dass er die Zeit genau verfolgt hatte. »Sonnenuntergang ist erst in ein paar Stunden. Sagen wir in zwei. Wenn sie also nur nachts rauskommen...«
    »Ich glaube, das tun sie. Die Zeit reicht, und ich muss trotzdem was essen. Diese Ruine können wir verlassen. Mit dem Haus sind wir fertig. Aber wir werden vielleicht eine Leiter brauchen.«
    Wireman zog die Augenbrauen hoch, stellte aber keine Frage, sondern sagte nur: »Wenn’s hier eine gibt, ist sie vermutlich im Nebengebäude. Das dem Zahn der Zeit übrigens recht gut widerstanden zu haben scheint.«
    »Was ist mit der Puppe?«, fragte Jack. »Noveen?«
    »Leg sie in Elizabeth’ Herzdose zurück, und nimm sie mit«, sagte ich. »Sie hat einen Platz im Palacio bei Elizabeth’ übrigen Sachen verdient.«
    »Was ist unsere nächste Station, Edgar?«, fragte Wireman.
    »Die zeige ich dir, aber erst noch etwas anderes.« Ich deutete auf die Pistole in seinem Gürtel. »Die ist noch geladen, stimmt’s?«
    »Absolut. Frisches Magazin.«
    »Falls der Reiher zurückkommt, will ich nach wie vor, dass du ihn erschießt. Das ist vordringlich.«
    »Warum?«
    »Weil er sie ist«, sagte ich. »Perse hat ihn benutzt, um uns zu beobachten.«
     
     
     
     
     
     
    II Wir verließen die Ruine auf demselben Weg, auf dem wir hereingekommen waren, und traten hinaus in einen für Florida typischen Spätnachmittag voll klarem Licht. Der Himmel über uns war wolkenlos. Die Sonne warf einen leuchtenden Silberschleier über den Golf. In ungefähr einer Stunde würde ihre Lichtspur matt werden und sich in Gold verwandeln, aber so weit war es noch nicht.
    Wir stapften den ehemaligen Trinkerboulevard entlang, wobei Jack den Picknickkorb und Wireman den Proviant und die Artisan-Blöcke trug. Ich hatte meine Zeichnungen. Strandhafer raschelte an unseren Hosenbeinen. Wir zogen lange Schatten hinter uns her, die zur Ruine des alten Herrenhauses hin ausgriffen. Weit vor uns entdeckte ein Pelikan einen Fisch, faltete die Flügel zusammen und stieß wie ein Sturzkampfbomber hinab. Der Reiher ließ sich nicht blicken, auch Charley der Jockey suchte uns nicht heim. Aber als wir den Kamm des Höhenrückens erreichten, von dem aus früher ein Trampelpfad durch Dünen geführt hatte, die jetzt erodiert und steil waren, sahen wir etwas anderes.
    Wir sahen die Perse .
    Sie lag keine dreihundert Meter vom Strand entfernt vor Anker. Ihre makellos weißen Segel waren gerefft.Wegen des Wellengangs krängte sie von einer Seite zur anderen, regelmäßig wie ein Uhrwerk. Von hier aus konnten wir den ganzen an Steuerbord aufgemalten Namen lesen: Persephone . Sie wirkte verlassen, und das war sie bestimmt auch - tagsüber blieben die Toten tot. Aber Perse war nicht tot. Umso schlimmer für uns.
    »Mein Gott, sie könnte geradewegs aus einem deiner Bilder gesegelt sein«, flüsterte Jack. Rechts am Wegrand stand eine Steinbank, die zwischen den Büschen, die sie umgaben, und unter den Ranken, die sich über ihre Sitzfläche schlängelten, kaum zu sehen war. Er ließ sich darauf sinken, während er weiter mit offenem Mund die Persephone anglotzte.
    »Nein«, sagte ich. »Ich habe die Wahrheit gemalt. Du siehst die Maske, die sie tagsüber trägt.«
    Wireman, der neben Jack stand, hielt sich zum Schutz vor der Sonne eine Hand über die Augen. Dann wandte er sich an mich. »Können sie drüben von Don Pedro aus das Schiff sehen? Das können sie nicht, stimmt’s?«
    »Manche vielleicht schon«, sagte ich. »Die Todkranken, die Schizos, die gerade ihre Medikamente abgesetzt haben …« Dabei musste ich an Tom denken. »Aber sie ist für uns hier, nicht für sie. Heute Nacht sollen wir Duma Key auf ihr verlassen. Ab Sonnenuntergang ist die Straße für uns unpassierbar. Die Untoten sind vielleicht alle dort draußen auf der Persephone , aber im Dschungel gibt es alle möglichen Kreaturen . Manche - wie der Rasenjockey - sind Wesen, die Elizabeth als kleines Mädchen geschaffen hat. Andere existieren erst, seit Perse wieder aufgewacht ist.« Ich machte eine Pause. Den Rest sprach ich nicht gern aus, aber ich tat es dennoch. Das musste ich. »Ich fürchte, dass ich für einige davon verantwortlich bin. Jeder Mensch hat seine Albträume.«
    Ich dachte an die im Mondschein

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