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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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hochgereckten Skelettarme.
    »Also«, sagte Wireman schroff. »Wir sollen per Schiff abreisen, was?«
    »Ja.«
    »Überfallen und an Bord geschleppt? Wie im guten alten England?«
    »So ungefähr.«
    »Nicht mit mir«, sagte Jack. »Ich werde seekrank.«
    Ich lächelte und setzte mich neben ihn. »Seereisen stehen nicht auf dem Plan, Jack.«
    »Gut.«
    »Kannst du das Hähnchen für mich auspacken und mir ein Bein abreißen?«
    Er tat, worum ich ihn gebeten hatte, und sie beobachteten fasziniert, wie ich erst ein Hühnerbein und dann das zweite verschlang. Ich fragte, ob jemand die Brust wollte, und als beide Nein sagten, aß ich auch noch die. Nach ungefähr der Hälfte musste ich an meine Tochter denken, die blass und tot in Rhode Island lag. Aber ich aß methodisch weiter und wischte mir zwischen einzelnen Bissen die fettigen Hände an meinen Jeans ab. Ilse hätte das verstanden. Pam nicht, vermutlich auch Lin nicht, aber Illy? Ja. Ich hatte Angst vor dem Bevorstehenden, aber ich wusste, dass auch Perse Angst hatte. Hätte sie keine gehabt, hätte sie nicht so erbittert versucht, uns von hier fernzuhalten. Sie hätte uns im Gegenteil bereitwillig eingelassen.
    »Die Zeit läuft ab, muchacho «, sagte Wireman. »Das Tageslicht flieht.«
    »Ich weiß«, sagte ich. »Und meine Tochter ist auf ewig tot. Ich bin allerdings noch immer ausgehungert. Gibt’s irgendwas Süßes? Kuchen? Kekse? Einen gottverdammten HoHo?«
    Es gab nichts dergleichen. Also begnügte ich mich mit einer weiteren Pepsi und ein paar Gurkenstreifen, die ich in Ranch Dressing tunkte, das mich in Aussehen und Geschmack schon immer an gesüßten Rotz erinnert hatte. Wenigstens ließen meine Kopfschmerzen nach. Auch die Bilder, die ich in der Finsternis gesehen hatte - die in all diesen langen Jahren in Noveens mit Lumpen ausgestopften Kopf gewartet hatten -, verblassten allmählich, aber ich hatte meine Zeichnungen, um sie wieder aufzufrischen. Ich wischte mir ein letztes Mal die Hände ab, dann legte ich den Stapel aus eingerissenen und verknitterten Blättern auf meine Knie: ein Familienalbum aus der Hölle.
    »Pass weiter auf diesen Reiher auf«, ermahnte ich Wireman.
    Er sah sich um, warf einen Blick auf das bei leichtem Wellengang gleichmäßig krängende Schiff und sah wieder mich an. »Wäre für Big Bird nicht die Harpunenpistole besser? Mit einer der Harpunen mit Silberspitze?«
    »Nein. Der Reiher ist nur ihr Fortbewegungsmittel, wie man auf einem Pferd reitet. Ihr wär’s bestimmt recht, wenn wir eine der Silbernen auf ihn vergeuden würden, aber in Zukunft bekommt Perse nicht mehr ihren Willen.« Ich lächelte grimmig. »Dieser Teil der Karriere der Lady ist vorüber.«
     
     
     
     
     
     
    III Wireman ließ Jack aufstehen, damit er die Sitzfläche von Ranken befreien konnte. Dann saßen wir da, drei seltsame Krieger, zwei über fünfzig, einer kaum älter als ein Teenager, und hatten den Golf von Mexiko vor uns und die Ruine eines ehemaligen Herrenhauses hinter uns. Der rote Picknickkorb und die jetzt fast leere Provianttasche hatten wir zu unseren Füßen. Ich ging davon aus, dass mir zwanzig Minuten blieben, um ihnen zu erzählen, was ich wusste, sogar eine halbe Stunde, und die Zeit noch immer reichen würde.
    Hoffentlich.
    »Elizabeth’ Verbindung zu Perse war enger als meine«, sagte ich. »Viel intensiver als meine. Ich weiß nicht, wie sie das ertragen hat. Sobald sie die Porzellanpuppe hatte, hat sie alles gesehen, ob sie dabei war oder nicht. Und sie hat alles gezeichnet. Aber die schlimmsten Bilder hat sie verbrannt, bevor sie aus diesem Haus weggegangen ist.«
    »Wie das Bild des Hurrikans?«, fragte Wireman.
    »Ja. Ich vermute, dass ihre gemeinsame Macht ihr Angst gemacht hat - und das zu Recht. Aber sie hat alles gesehen. Und die Puppe hat alles gespeichert. Wie eine übersinnliche Kamera. Meistens habe ich nur gesehen, was Elizabeth gesehen hat, und gezeichnet, was Elizabeth gezeichnet hat. Ist euch das klar?«
    Beide nickten.
    »Beginnen wir mit diesem Weg, der einmal eine Straße war. Sie hat vom Shade Beach zum Nebengebäude geführt.« Ich zeigte auf das lang gestreckte, mit Ranken überwucherte Gebäude, in dem wir hoffentlich eine Leiter finden würden. »Ich glaube nicht, dass der Schwarzhändler, der hier Schmuggelware angelandet hat, Dave Davis war, aber ich bin sicher, dass er einer von Davis’ Geschäftsfreunden war - und dass größere Mengen Alkohol die Sonnenküste über Duma Key erreicht haben.Vom

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