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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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gefickt? Das glaubte ich nicht. Andererseits …
    Ich gebe dir ein Angebot mit, das du ihr überbringen kannst, hatte ich gesagt. Und das hatte er getan. Nur hatte er noch mehr getan, als nur mein Angebot zu überbringen.
    Ich hinkte zu dem Panoramafenster hinüber, ohne meine Krücke zu benutzen. Die Sonne würde erst in einer Stunde untergehen, aber sie stand schon tiefer im Westen und zog einen Lichtpfad übers Wasser. Ich zwang mich dazu, direkt in diese gleißend helle Spur zu sehen, und wischte mir wiederholt die tränenden Augen.
    Ich versuchte mir einzureden, das Gemälde sei vielleicht nur das Hirngespinst eines Verstandes, der sich noch immer zu heilen versuchte. Aber das glaubte ich selbst nicht. Alle meine Stimmen sprachen deutlich und verständlich miteinander, und ich wusste, was ich wusste. Pam hatte mit Max draußen in Palm Desert gefickt, und als er eine längere, tiefere Bindung vorgeschlagen hatte, hatte sie abgelehnt. Pam hatte auch mit meinem ältesten Freund und Geschäftspartner gefickt und fickte vielleicht noch immer mit ihm. Offen war nur die Frage, welcher der beiden Kerle ihr die Tittenrose aufgeschwatzt hatte.
    »Ich muss das loslassen«, sagte ich mir und legte meine pochende Stirn an die Scheibe. Vor mir leuchtete die Sonne auf dem Golf von Mexiko. »Ich muss es wirklich loslassen.«
    Dann schnalz mit den Fingern, dachte ich.
    Ich schnalzte mit den Fingern der rechten Hand und hörte das Geräusch - ein flottes kleines Klicken. »Alles okay. Vorbei, erledigt, weg«, sagte ich heiter. Aber dann schloss ich die Augen und sah Pam auf dem Bett - irgendeinem Bett - sitzen: in ihrem Slip und mit diesem wie eine tote Schlange über ihrem Bein liegenden BH-Träger.
    Freunde mit Zuwendungen.
    Fickfreunde mit verfickten Zuwendungen.
     
     
     
     
     
     
    VII An diesem Abend beobachtete ich den Sonnenuntergang nicht vom Little Pink aus. Ich ließ meine Krücke an die Hauswand gelehnt stehen, hinkte zum Strand hinunter und ging bis zu den Knien ins Wasser. Das Meer war kalt wie immer um diese Jahreszeit, wenn die Hurrikansaison seit ein paar Monaten vorüber ist, aber das merkte ich kaum. Der übers Wasser laufende Lichtpfad leuchtete jetzt in bitterem Orange, und ihn sah ich an.
    »Von wegen Experiment!«, sagte ich, und die Brandung schäumte um meine Füße. Ich schwankte unsicher, breitete die Arme aus, um das Gleichgewicht zu halten. »Scheißexperiment.«
    Über mir segelte ein Reiher durch den dunkler werdenden Himmel: ein lautloses, langhalsiges Projektil.
    »Das war Schnüffelei, das war nichts als Schnüffelei, und ich hab dafür bezahlt.«
    Genau. Falls ich irgendwie Lust verspürte, Pam noch einmal zu würgen, war das einzig und allein meine Schuld. Sieh niemals durch ein Schlüsselloch, es wird dich nur quälen , wie meine liebe alte Mutter zu sagen pflegte. Ich hatte hindurchgesehen, es quälte mich, Ende der Geschichte. Dies war jetzt ihr Leben, und was sie darin tat, war ihre Sache. Meine war es, dieses Thema fallen zu lassen. Die Frage war nur, ob ich das konnte oder nicht. Das war schwieriger, als mit den Fingern zu schnalzen, selbst mit den Fingern einer Hand, die nicht mehr da war.
    Eine Woge - groß genug, um mich von den Beinen zu holen - brandete heran. Ich tauchte kurz unter, schluckte Wasser und kam dann prustend hoch. Das zurückflutende Wasser versuchte, mich zusammen mit dem Sand und den Muscheln zurück ins Meer zu reißen. Ich stieß mich mit meinem gesunden Fuß in Richtung Strand ab, strampelte sogar schwach mit dem schlimmen Bein und schaffte es, wieder Halt zu finden. Auch wenn ich vielleicht in mancher Beziehung durcheinander war, wollte ich nicht im Golf von Mexiko ertrinken. In diesem Punkt gab es keine Verwirrung. Die Haare hingen mir in die Augen, als ich hustend und spuckend aus dem Wasser kroch und dabei mein rechtes Bein wie ein mit Wasser vollgesogenes Gepäckstück hinter mir herschleifte.
    Als ich endlich trockenen Sand erreichte, wälzte ich mich auf den Rücken und sah hinauf zum Himmel. Ein fetter Halbmond segelte durchs dunkler werdende Samtblau über dem Giebel des Big Pink. Er wirkte dort oben recht heiter. Hier unten lag ein Mann, auf den das Gegenteil von heiter zutraf: zitternd, gequält und wütend. Ich drehte den Kopf zur Seite, um meinen Armstumpf anzusehen, dann blickte ich wieder zum Mond auf.
    »Keine Schnüffelei«, sagte ich. »Dieser neue Grundsatz gilt ab sofort. Keine Schnüffelei, keine Experimente mehr.«
    Das war mein Ernst.

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