Wahn - Duma Key
sich weit flussabwärts aufzuhalten. Mit der linken Hand griff ich nach dem Pinsel, den ich gesäubert hatte, und klemmte ihn mir hinters linke Ohr. Säuberte einen weiteren und legte ihn ins Ablagefach unter der Staffelei. Säuberte einen dritten und legte ihn ebenfalls dort ab. Überlegte, ob ich einen vierten säubern sollte, und wollte mich dann lieber nicht damit aufhalten. Dieses Fieber hatte mich wieder erfasst, dieser Hunger. Es war so plötzlich und gewaltig wie meine Wutanfälle. Hätten die Rauchmelder im Erdgeschoss zu schrillen begonnen, weil das Haus brannte, hätte ich sie nicht beachtet. Ich streifte die Zellophanhülle von einem neuen Pinsel, tauchte ihn in Schwarz und begann zu malen.
Wie bei dem Bild, das ich Das Spiel ist aus genannt hatte, weiß ich nicht mehr viel über den Entstehungsprozess von Freunde mit Zuwendungen . Ich weiß nur, dass er einer heftigen Explosion glich - und dass Sonnenuntergänge nichts damit zu tun hatten. Das Gemälde war überwiegend in Blau und Schwarz gehalten, der Farbe von Blutergüssen, und als es fertig war, schmerzte mein linker Arm von der Anstrengung. Meine Hand war bis zum Handgelenk mit Farbe bekleckert.
Das fertige Gemälde erinnerte mich an die leicht gewagten Taschenbuchcover, die ich aus meiner Jugend kannte, auf denen immer eine üppige Frau auf dem Weg zur Hölle war. Nur war die Frau auf den Buchumschlägen im Allgemeinen blond und Anfang zwanzig gewesen. Auf meinem Gemälde hatte sie dunkle Haare und schien Mitte vierzig zu sein. Diese Frau war meine Exgattin.
Mit nichts als einem blauen Slip bekleidet, saß sie auf einem zerwühlten Bett. Der Träger eines dazu passenden BHs hing quer über ein Bein. Ihr Kopf war leicht gesenkt, aber ihre Züge waren unverkennbar; ich hatte sie mit einigen wenigen schwarzen Pinselstrichen, die fast chinesischen Ideogrammen glichen, BRILLANT getroffen. Auf der Wölbung einer Brust war der einzige wirklich leuchtende Fleck des Bildes zu sehen: eine tätowierte Rose. Ich fragte mich, wann sie sich hatte tätowieren lassen und weshalb. Pam mit einer Tätowierung erschien mir so unwahrscheinlich wie Pam im Sattel einer Geländemaschine auf dem Mission Hill, aber ich bezweifelte keinen Augenblick, dass dieses Detail der Realität entsprach; es war ebenso eine Tatsache wie Carson Jones’ Torii-Hunter-T-Shirt.
Auf dem Gemälde waren auch noch zwei Männer, beide nackt. Einer stand am Fenster, den Blick nach draußen gerichtet. Er hatte den prototypischen Körper eines ungefähr fünfzigjährigen Weißen aus der Mittelschicht, wie man ihn vermutlich in jedem Umkleideraum von Gold’s Gym hätte sehen können: Schmerbauch, flacher Hintern ohne Gesäßbacken, mittelgroße Männertitten. Sein Gesicht war intelligent und gebildet. Auf diesem Gesicht stand jetzt ein melancholischer Sie-ist-so-gut-wie-weg-Ausdruck. Ein Nichts-mehr-zu-machen-Ausdruck. Dies war Max aus Palm Desert. Er hätte genauso gut ein Namensschild um den Hals tragen können. Max, der letztes Jahr seinen Vater verloren hatte; Max, der Pam zu Anfang Kaffee und zuletzt weit mehr angeboten hatte. Sie hatte den Kaffee und das Mehr angenommen, aber nicht alles Mehr, das er zu geben bereit gewesen wäre. Das sagte sein Gesicht. Es war viel nackter als sein Arsch.
Der andere Mann lehnte mit voreinander gestellten Beinen am Türrahmen: eine Haltung, die seine Oberschenkel zusammenpresste und sein ordentliches Paket nach vorn drückte. Er war ungefähr zehn Jahre älter als der Mann am Fenster, aber besser in Form. Kein Bauch. Kein Rettungsring um die Hüften. Lange Muskeln in den Oberschenkeln. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und betrachtete Pam mit einem leichten Lächeln. Dieses Lächeln kannte ich gut, denn Tom Riley war fünfunddreißig Jahre lang mein Buchhalter - und mein Freund - gewesen. Wäre es in unserer Familie nicht üblich gewesen, seinen Vater zu bitten, als Trauzeuge zu fungieren, hätte ich Tom darum gebeten.
Ich betrachtete ihn, wie er nackt in der Tür stand und meine Frau auf dem Bett ansah, und erinnerte mich daran, wie er mir geholfen hatte, meine Sachen zum Lake Phalen hinauszuschaffen. Erinnerte mich daran, wie er gesagt hatte: In einer solchen Situation gibt man das Haus nicht auf, das ist so, als würde man bei einem Play-off-Spiel auf den Heimvorteil verzichten.
Und wie ich ihn dann mit Tränen in den Augen ertappt hatte. Boss, ich kann mich einfach nicht daran gewöhnen, dich so zu sehen.
Hatte er sie schon damals
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