Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
dämlichen verdammten Spieltischen auf den Fußboden zu fegen.
    »Ausgeglichen«, sagte ich bewusst leise und bewusst langsam. »Ich kann nie mehr ausgeglichen sein. Ich bleibe der Einzelarmige.« Das war nicht sehr witzig (nicht einmal sehr vernünftig), aber mein Zorn begann trotzdem zu schwinden. Zu hören, wie ich das richtige Wort sagte, hatte geholfen. Das tat es meistens.
    Ich wandte meine Aufmerksamkeit von dem Armstumpf ab und den Handschuhen meiner Frau zu. In der Tat: HANDS OFF!
    Mit einem Seufzer - in dem vielleicht auch etwas Erleichterung lag; ich bin mir nicht mehr sicher, aber wahrscheinlich war es so - legte ich sie auf den Tisch mit meinen Modellgegenständen, nahm einen Pinsel aus einem Terpentinglas, drückte ihn in einem Lappen aus, spülte ihn ab und betrachtete die leere Leinwand. War es wirklich mein Ernst gewesen, die Handschuhe malen zu wollen? Scheiße, warum nur? Warum?
    Plötzlich kam mir die Vorstellung, überhaupt malen zu wollen, lächerlich vor. Die Vorstellung, dass ich nicht wusste, wie, erschien mir verdammt viel plausibler. Hätte ich diesen Pinsel in schwarze Farbe getaucht und damit diese furchteinflößende weiße Fläche berührt, hätte ich garantiert nichts Besseres als eine Kolonne marschierender Strichmännchen zustande gebracht: Zehn kleine Negerlein, die schliefen in der Scheun’, einer ging im Heu verloren, da waren’s nur noch neun. Neun kleine Negerlein, die gingen auf die Jagd ...
    Das war unheimlich. Ich sprang von meinem Stuhl auf. Plötzlich wollte ich nicht mehr hier sein, nicht im Little Pink, nicht im Big Pink, nicht auf Duma Key, nicht in meinem blöden sinnlosen hinkenden einsamen behinderten Leben. Was machte ich mir nicht alles vor? Ich wäre ein Künstler? Lächerlich. Kamen konnte in seinen patentierten E-Mails von ÜBERWÄLTIGT und SIE DÜRFEN NICHT AUFHÖREN schwafeln, aber Kamen war darauf spezialisiert, den Opfern schwerer Unfälle einzureden, die blasse Imitation des Lebens, das sie neuerdings führten, sei so gut wie das Original. Wenn es um positive Bestätigung ging, waren Kamen und Kathi Green, die Reha-Queen, ein Tiegerseam. SCHEISSE, SIE WAREN BRILLANT, und die meisten ihrer dankbaren Patienten riefen: SIE DÜRFEN NICHT AUFHÖREN. Machte ich mir vor, ich wäre ein Medium? Mit einem Phantomarm, der ins Unbekannte sehen konnte? Das war nicht lächerlich, das war albern und erbärmlich.
    In Nokomis gab es einen 7-Eleven. Ich beschloss, meine Fahrkünste auszuprobieren, mir ein paar Sixpacks zu holen und mich zu betrinken. Vielleicht sahen die Dinge morgen besser aus, gefiltert durch Katerdunst. Viel schlechter konnten sie nicht mehr aussehen, fand ich. Ich griff nach meiner Krücke, aber dann verfing sich mein Fuß - mein linker, mein gesunder Fuß, verdammt noch mal - unter dem Stuhl. Ich stolperte. Mein rechter Fuß war nicht kräftig genug, um mich allein zu tragen, und so schlug ich der Länge nach hin, wobei ich den rechten Arm vorstreckte, um meinen Sturz abzufangen.
    Das geschah natürlich nur instinktiv... aber er fing meinen Sturz ab.Wirklich. Ich sah es nicht - ich hatte die Augen zugekniffen, wie man es tut, wenn man weiß, dass man gleich hinknallt -, aber wäre mein Fall nicht gebremst worden, hätte ich mich, Teppich hin oder her, ziemlich sicher schwer verletzt. Ich hätte mir das Genick prellen oder sogar brechen können.
    Ich blieb einen Augenblick liegen und überzeugte mich davon, dass ich noch lebte, dann richtete ich mich in eine kniende Haltung auf, wobei meine Hüfte mich fast umbrachte, und hielt mir meinen pochenden rechten Arm vor die Augen. Nur war da kein Arm. Ich stellte den Stuhl wieder auf die Beine, stützte mich mit dem linken Arm darauf... und schnellte dann mit dem Kopf vor und biss mich in den rechten Arm.
    Ich spürte, wie die Halbmonde meiner Zähne sich knapp unterhalb des Ellbogens in die Haut gruben. Fühlte Schmerzen.
    Ich spürte noch mehr. Ich spürte das Fleisch des Unterarms an meinen Lippen. Dann hob ich keuchend den Kopf. »O mein Gott! O mein Gott! Was geht hier vor? Was ist das?«
    Ich erwartete fast, zu sehen, wie der Arm wirbelnd Gestalt annahm. Das tat er nicht, aber er war trotzdem da. Ich griff über die Sitzfläche des Stuhls hinweg nach einem meiner Pinsel. Ich spürte, wie meine Finger den Stiel umschlossen, aber der Pinsel bewegte sich nicht. Ich dachte: So ist es also, wenn man ein Gespenst ist.
    Ich zog mich auf den Stuhl hoch. Meine Hüfte knurrte wütend, aber dieser Schmerz schien

Weitere Kostenlose Bücher