Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)
in der Zeitung, dass nach einer wissenschaftlichen Studie fünf von zehn Steuerpflichtigen Steuern hinterziehen. Er will deshalb gegen jeden zweiten Steuerpflichtigen ein Ermittlungsverfahren einleiten und Durchsuchungsbeschlüsse beantragen. Genau das aber gehe nicht, sagte Merk. Würde man ohne jegliche fundierte Angaben Fahndungsmaßnahmen ergreifen, »dann gute Nacht, Rechtsstaat!«, hatte sie pathetisch ausgerufen. Die Dame wusste natürlich genau, dass die Staatsanwaltschaft, hätten die Angaben Mollaths wirklich nicht ausgereicht, diesen im Zuge von Vorermittlungen ergänzend hätte befragen können und auch müssen.
Die skrupellose Konstruktion, Mollath leide an einem paranoiden Wahn, der ihn gemeingefährlich mache, war nunmehr vollends zusammengebrochen. Der Journalist Michael Kasperowitsch von den Nürnberger Nachrichten hielt dies der Nürnberger Oberstaatsanwältin Gabriels-Gorsolke vor. Doch diese erklärte ungerührt, für die Staatsanwaltschaft bestehe kein Handlungsbedarf. Mollath sollte weiterhin weggesperrt bleiben. Gute Nacht, Rechtsstaat!
Bevor ich die Briefe des Anwalts und des Finanzamts den Nürnberger Nachrichten zuleiten konnte, stellte sich zunächst ein recht banales Problem: Wie gelangte man an diese unersetzlichen Beweisstücke? Versandte Mollath sie mit der Post, war nicht auszuschließen, dass sie innerhalb der psychiatrischen Anstalt oder auf dem Postweg verloren gingen. Zahnarzt Braun fuhr deshalb mit seinem Ferrari von Bad Pyrmont nach Bayreuth und holte sie.
Der Rechtsstaat musste jetzt endlich, endlich aufwachen!
Am 29 . Oktober 2012 veröffentlichen die Nürnberger Nachrichten unter dem Titel »Steuerfahnder haben die Spur aufgenommen« einen hochexplosiven Bericht, der unter Bezug auf die zitierten Schreiben darlegte, dass sich die Angaben Mollaths als zutreffend herausgestellt hätten und dass somit von paranoiden Wahnvorstellungen bei ihm keine Rede sein könne. Am Tag, an dem, wie ich wusste, der Zeitungsbericht erscheinen würde, schrieb ich frühmorgens per Fax einen Brief an die Landtagsfraktionen von SPD , Grünen und Freien Wählern. Darin wies ich zum einen auf die neuen Beweise hin. Zum anderen machte ich darauf aufmerksam, dass die Justizministerin die Abgeordneten am 8 . März 2012 im Landtag über den wahren Inhalt des Schnellhefters getäuscht und ihnen die Mollath entlastende eidesstattliche Versicherung des Zahnarztes Edward Braun verschwiegen habe.
Die Oppositionspolitiker griffen die Justizministerin scharf an, Florian Streibl/Freie Wähler sprach von einem »Justizskandal ungeheuren Ausmaßes«. Dr. Maria Fick, die Menschenrechtsbeauftragte der Landesärztekammer Bayern, rügte das menschenverachtende Vorgehen gegen Mollath und kündigte eine Überprüfung der von ihr als nicht stichhaltig betrachteten Gutachten Leipzigers und Pfäfflins an.
Dann geschah Unvorhergesehenes. Eine anonyme Person spielte über ein Internetcafé jemandem den Bericht der Innenrevision der HypoVereinsbank vom März 2003 zu, aus dem Justizministerin Merk im Rechtsausschuss ausführlich zitiert hatte. Sie hatte behauptet, die Innenrevision habe zwar Verstöße einzelner Mitarbeiter festgestellt, die allerdings »nichts mit der von Mollath angezeigten Problematik und auch nichts mit seiner damaligen Ehefrau zu tun hatten«. Tatsächlich aber sah der Bericht der Innenrevision ganz anders aus. Er stellte Verstöße gegen die Abgabenordnung und das Geldwäschegesetz fest, sprach von verschobenem Schwarzgeld und von heimlichen Provisionen, die Petra Mollath auf ein Konto bei der LEU -Bank in Zürich überwiesen worden waren. Zusammenfassend hatte die Innenrevision über Mollaths Anschuldigungen, die die Prüfung ausgelöst hatten, bemerkt: »Alle nachprüfbaren Behauptungen haben sich als zutreffend herausgestellt.« Das war ein eklatanter Widerspruch zu den Behauptungen von Beate Merk, die den Abgeordneten erzählt hatte, der Bericht habe die Angaben Mollaths »gerade nicht bestätigt«.
Beate Merk war damit ein weiteres Mal der Lüge und Täu schung überführt – zu Lasten des seit Jahren inhaftierten Mollath. Dieter Hanitzsch zeichnete sie in einer Karikatur in der SZ als blondhaarigen, mit Flügeln bestückten Engel, der sich in einem Wassergefäß die Hände in Unschuld wäscht und grinsend sagt: »Justizskandal? Ich merk nichts!« Aber aus ihrem weißen Engelsgewand lugt ein teuflischer Bocksfuß hervor, daran gekettet eine riesige, auf schriftlichen Beweisen lagernde Kugel
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