Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)
Interview schließlich ab. Sie war am Ende.
Wie ein Lauffeuer sprach sich dieses bizarre Interview herum. Wer immer es sich im Internet ansah, äußerte sich entgeistert über den Auftritt. Viele hatten Merk bis dahin gar nicht gekannt. Fast ungläubig sagten sie: Das ist die Justizministerin? Die Forderung nach Merks Rücktritt verstärkte sich zusehends. Sie jedoch bestand darauf, Mollath müsse weiterhin weggesperrt werden, obwohl jetzt ein weiteres Mal erwiesen war, dass er nicht an einem Wahn litt. Die Haltung dieser Ministerin war monströs. Doch die Forderung der Freien Wähler nach ihrem Rücktritt bezeichnete sie im Landtag als »Unverschämtheit«. Ihr Chef Seehofer freilich wurde jetzt unruhig. Diese fatale Sache könnte ihm bei der Landtagswahl 2013 gefährlich werden.
Von der Fassade der Beate Merk platzten rasch weitere Flächen ab, als der Regensburger Strafrechtsprofessor Henning Müller ihr Verhalten öffentlich »als nicht nachvollziehbar« kritisierte, schwere Mängel des Mollath-Urteils rügte und gegen die Staatsanwältin, die Ermittlungen zu den Strafanzeigen Mollaths abgelehnt hatte, den Verdacht einer Strafvereitelung im Amt begründete. Der renommierte Hamburger Strafverteidiger Gerhard Strate befand in einem Gutachten ebenfalls, dass diese Weigerung der Staatsanwaltschaft als Verstoß gegen das Legalitätsprinzip rechtswidrig sei. Sodann bestätigte der Schöffe Heinz Westenrieder gegenüber der Presse, dass der Vorsitzende Richter Otto Brixner seinerzeit Mollath jedes Mal niedergebrüllt habe, wenn dieser auf die Schwarzgeldverschiebungen zu sprechen kam, die man ihm als Wahnvorstellung anlastete. Heribert Prantl schrieb in der SZ : »Eine Justiz, die Menschen ohne gründlichste Prüfung einen Wahn andichtet, ist selber wahnsinnig.« Damit war die Justizministerin schwerstens getroffen, sie war persönlich bloßgestellt.
Dann ein Blitzschlag: Die Nürnberger Nachrichten berichteten, dass der Richter Brixner 2004 die Steuerfahndung angerufen und instruiert habe, sie müsse die ihr zugegangenen Strafanzeigen Mollaths bezüglich der Schwarzgeldverschiebungen nicht ernst nehmen, denn dieser sei verrückt. Das war zwei Jahre vor dem Prozess. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch kein psychiatrisches Gutachten, das Mollath für paranoid erklärt hätte. Und was veranlasste Brixner, die Steuerfahndung von Ermittlungen abzuhalten? Das war eine krasse und gegebenenfalls strafbare Überschreitung seiner Befugnisse.
Seehofer musste nun befürchten, dass der Fall Mollath zu einer schweren Belastung für seinen Landtagswahlkampf werden könnte. Er zwang die Justizministerin, die Staatsanwaltschaft anzuweisen, die Einleitung eines Wiederaufnahmeverfahrens zu prüfen. Sofort stellte sie sich strahlend als Mollaths rettender Engel hin: Jetzt habe sie erstmals die Möglichkeit gehabt, zu seinen Gunsten einzugreifen, und sie habe dies sofort wahrgenommen! Dass ihr mit dem Bericht der HypoVereinsbank und der eidesstattlichen Versicherung des Zahnarztes Braun schon seit einem Jahr triftige Wiederaufnahmegründe vorlagen, ließ sie geflissentlich beiseite.
Aber Florian Streibl/Freie Wähler stellte klar: Sollte sich herausstellen, dass Mollath sieben Jahre zu Unrecht in der Psychiatrie saß, muss sie in jedem Fall zurücktreten!
Das ethische Format der Banker
Die Direktoren der HypoVereinsbank Nürnberg wussten allein schon aufgrund des Berichts der Innenrevision seit März 2003 , dass Mollaths Angaben zutrafen. Als sie am 9 . August 2006 in den Nürnberger Nachrichten unter der Überschrift »Im Wahn verstrickt« nachlesen konnten, dass der Ehemann einer Bankangestellten in die Psychiatrie eingewiesen worden war, weil er wahnhaft geglaubt habe, sie helfe Schwarzgeld in die Schweiz zu schleusen, mussten sie also wissen, um wen es sich handelte, obwohl kein Name genannt war. Sie hätten der Justiz die Wahrheit mitteilen können, aber sie ließen alles geschehen. Eine Aufhebung des Urteils in der Revisionsinstanz unterblieb somit.
Freilich, die Herren waren in einer Zwangslage. Bekannten sie die Wahrheit, gefährdeten sie sich selbst – wegen der Schwarz geldverschiebungen, die die HypoVereinsbank durchgeführt hatte. Aber so wurde ihre Schuld noch größer. Selbst nachdem ihre Delikte etwa 2007 verjährt waren (Verjährungsfrist: fünf Jahre), überließen sie Mollath, mit dem sie doch Gespräche geführt und korrespondiert hatten, seinem Schicksal.
Kunden, die Geburtstag haben, gratuliert die Bank mit einem
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